Den "guys with guitars" widmete die deutsche Nachwuchssängerin Alev Lenz jüngst einen eigenen Song. Sie selbst ist ein "Story telling Piano playing Fraeulein" (Albumtitel). So wie Tori Amos, Regina Spektor - und Vienna Teng. Alle brechen dabei mit dem Klischee der klassischen Elevin, die in großbürgerlicher Umgebung mit züchtiger Frisur Schubert-Etüden intoniert. Man muss dem Klavier ja nicht gleich - wie Tori Amos bisweilen - auf den Deckel steigen.
Zwischen diesen beiden Extremen fühlt Vienna Teng sich sichtlich wohl. Die Computerwissenschaftlerin aus Saratoga (sie machte ihren Abschluss 2000 an der Stanford University) hat sich mit ihren drei bisherigen Alben eine außerordentliche Reputation erarbeitet, sie tourte mit Joan Baez, den Indigo Girls und Madeleine Peyroux - und in der Bandbreite dieser Musik, zwischen Folk und Blues also, ist auch ihr eigener Sound angesiedelt.
Leise, rhythmische Songs bilden auch den Schwerpunkt von "Inland Territory", dem vierten Studioalbum, melancholisch-schöne Zwiegespräche zwischen Interpretin und Instrument. Das Knistern zum Albumbeginn ist eine Reminiszenz an die Ära der Schallplatte - doch das leise Geräusch könnte auch den Schneefall hörbar machen, der das Motto zum Auftaktsong vorgibt ("The last snowfall"). Ähnlich arbeitete schon Björk mit Matmos auf ihrem Album "Vespertine".
Doch die Intimität leiser Songs beschreibt nur die eine Hälfte der Möglichkeiten von Vienna Teng: Die andere, fröhlich-ausgelassene Seite bilden Pop-Songs wie "White light" - oder "In another light", ein - abgesehen von einigen Percussions - A cappella-Song, in den sich zwischendurch eine Bluegrass-Fiddle einmischt. "Kansas" wiederum ist eine großartige Ballade, die auch auf Tori Amos' Amerika-Album "Scarlet's walk" einen herausgehobenen Platz gefunden hätte.
Als Tochter einer taiwanesisch-chinesischen Einwandererfamilie in Kalifornien hat Vienna Teng viele Kulturen verinnerlicht. Auch darin ähnelt sie Regina Spektor, die aus Russland in die USA kam. Beide schöpfen dabei längst nicht nur aus dem Fundus ihrer Herkunftskulturen, sondern eher aus einer empathischen Fähigkeit, die es ihr ermöglicht, sich wiederum Anderes, Fremdes, Neues anzueignen.
Dazu gehört dann schließlich auch, dass sie die klassische Schule nicht in Bausch und Bogen verwirft - sondern für ihre Zwecke adaptiert. Schon ihr Künstlername "Vienna" ist eine Verneigung von den Meistern der Wiener Klassik: Haydn, Mozart, Beethoven. Dem elegisch geschwungenen "Antebellum" meint man diese Nähe anzuhören. Wien ist längst nicht mehr ein Wunschtraum für Vienna Teng: Inzwischen gastiert sie dort zum wiederholten Male selber.