"This is an Arabian song". So lautet einer der Titel auf dem neuen Album von Rachid Taha. Das Album selbst trägt den schlichten, aber entwaffnend sympathischen Titel "Bonjour". Man ahnt die augenzwinkernde Ironie: Rachid Taha galt ursprünglich als eine der größten Hoffnungen des Raï, des arabischen Pop, der seit Ende der 1980er Jahre ausgehend von algerischen Einwanderern in Frankreich große Erfolge feierte. Doch schon bald war klar, dass Rachid Taha weit mehr im Sinn hatte: Bei ihm verschmolzen die Grenzen der Genres, unmöglich auszumachen, wo der Raï aufhörte und der Rock'n'Roll begann.
Diese Nonkonformität wurde bald sein besonderes, unverwechselbares Profil, das ihm zusätzlich enorme künstlerische Freiheit bescherte. Damon Albarn, Brian Eno, Mark Plati - die Riege der Neugierigen, Experimentierfreudigen und Unangepassten fand in Rachid Taha einen Verbündeten, mit dem sie gemeinsame Projekte realisierten. Plati, Produzent u.a. von Les Rita Mitsouko und The Cure, traf Taha für die Aufnahmen zu "Bonjour" in seinem Studio in New York.
Denn auch geografisch hat Rachid Taha seinen Horizont erweitert: Das 'andere' Amerika interessiert ihn, den Freigeist, der die Idee von "Freiheit und Abenteuer" vielleicht ein wenig romantisiert - oder auch ironisiert, aber seiner Musik hat diese Offenheit schon immer gut getan.
"Bonjour" ist also erwartungsgemäß ein ungemein vielschichtiges Album geworden, das mit Elementen arabischer Musik ebenso spielt wie mit französischem Chanson-Pop, dumpfem Drums&Bass-Gestampfe ("Ila liqa"), African Beat und Rock'n'Roll. Klischees erfüllen nur noch den Zweck, gebrochen zu werden, und entsprechend unvorhersehbar sind die Ergebnisse, zu denen Tahas Ideen schließlich führen. "This is an Arabian song" besteht aus vollkommen unterschiedlichen Elementen aus Trance, Westerngitarre, Jazz-Trompete und einem stoischen Refrain in Manu Chao-Manier - eine lustvolle und selbstbewusste Standortbestimmung arabischer Musik im interkulturellen Kontext, und so ziemlich das genaue Gegenteil dessen, was das westliche Ohr gemeinhin als 'arabisch' definieren würde.
Seinem Ruf als "Agent provocateur" der frankoarabischen Musikszene bleibt Rachid Taha also auch auf "Bonjour" treu, und in seiner beharrlichen Verweigerung gegenüber dem Traditionalismus liegt nicht nur musikalisches Potential, sondern auch eine gesellschaftliche Chance.
Michael
Frost, 14. November 2009