Bei
den RTL-Superstars hätte sie vermutlich keine Chance. Die hat sie
aber auch gar nicht nötig. Denn was macht einen Star aus ? Etwa
Konformität, standardisiertes Einstudieren von Atemrhythmus und
Bewegung, um schließlich die Karriere mit der seelenlosen Imitierung
unerreichbarer Idole zu beschließen ?
Oder doch eher individuelles Charisma, Originalität, Kreativität,
Vielseitigkeit und Neugier - und auch mal gegen den Strich gebürstet
zu sein ? Nach diesen Kriterien jedenfalls ist Jasmin Tabatabai längst
ein Star; sowieso als Schauspielerin, aber auch als Musikerin.
Als
solche hat sie einst ihre Karriere begonnen. "Even Cowgirls get
the Blues" hieß die "Mädchenband" (Pressetext),
mit der sie Anfang der 90er Jahre über Berlin hinaus für
Furore sorgte. Berühmt wurde sie dann an der Seite von Katja
Riemann, Nicolette Krebitz und Jutta Hoffmann in Katja von Garniers
Film "Bandits". Die meisten der Titel, die von den vier
Schauspielerinnen in dem Film gesungen wurden, stammen bereits aus
der Feder von Jasmin Tabatabai. Dennoch dauerte es weitere fünf
Jahre, bis es zum Solo-Albumdebüt kam: "Only love",
durch und durch von Hand gemacht und selbst produziert - ein Album,
dessen Reiz in der Ehrlichkeit der Musik besteht.
Nunmehr
lässt Jasmin Tabatabai den Konzertmitschnitt "Only live"
folgen - aufgenommen im März 2002 im Szene-Ambiente des Berliner
"Columbia Fritz", und das Album klingt genauso, wie es bei
ihr zu erwarten war - ehrlich, direkt, spontan. Sowohl einige der
Bandits-Songs ("Catch Me", "Puppet on a string",
"Photograph" und "If I were God") sind auf dem
Album zu hören, als natürlich fast alle "Only love"-Stücke
sowie als Kuriosum "Dooshite", eine japanischsprachige (!)
Fassung des portugiesischen 70er-Jahre-Schlagers "Porque te vas".
Freilich:
Nicht jeder Ton sitzt perfekt, die Arrangements sind weder besonders
aufwändig, noch auf allzu perfekte und damit inhaltsleere Stromlinienförmigkeit
getrimmt - und doch wird gerade deshalb mehr als nur der "Live"-Charakter
des Albums spürbar.
Jasmin
Tabatabai klingt ungekünstelt, auch im Dialog mit ihrem Publikum,
sie hat hörbaren Spaß am Rock'n'Roll in all seiner ursprünglichen
Energie, und die positive Stimmung überträgt sie zu einhundert
Prozent. Und auch die Tatsache, dass ihre Stimme nicht unbedingt über
ein Übermaß an Volumen verfügt, stört kaum. Das
Charisma ist dafür umso größer, und entsprechend die
Wirkung. Auch darin unterscheidet sie sich von den gecasteten Superstars.
©
Michael Frost, 25. Januar 2003