Man könnte meinen, in der Musik sei alles schon einmal da gewesen. Bis man Sväng entdeckt. Sväng, das sind Eero Turkka, Eero Grundström, Pasi Leino und Jouko Kyhälä, und ihre Namen verweisen unverkennbar nach Finnland, wo man milde Sommer und klirrende Kälte kennt, jedermann ein Holzhaus mit Sauna am See besitzt, Wodka trinkt und Tango tanzt, schwermütige Filme sieht, eine seltsame Sprache spricht - und Mundharmonika spielt.
Letzteres tun jedenfalls Sväng, und ihrer Biografie nach sind die vier eigenwilligen Musiker keineswegs Finnlands einziges Mundharmonika-Orchester, vielleicht aber das einzige mit Diplom. Denn drei der vier Musiker kommen von der renommierten Sibelius-Musik-Akademie in Helsinki. Jouko Kyhälä schaffte sogar die Promotion und darf sich jetzt "Doctor of Harmonica Arts" nennen, ein bislang einzigartiger Titel. Als Mundharmonika-Ensemble sind sie eine Art Gegenstück zu den weltweit umjubelten Heavy Metal-Cellisten Apocalypctica - genau so skurril und ebenso wenig zu unterschätzen:
Alle vier Musiker sind Multi-Instrumentalisten mit einem breit gefächerten Interesse an Klassik, Rock, Jazz, Weltmusik und Folk. Doch auf "Jarruta", ihrem zweiten Album, entströmt jeder Ton einer Mundharmonika. Und wohl nur Fachleute wissen, wie viele verschiedene Arten dieses Instruments existieren. Dem Laien genügt ein Blick ins Wikipedia-Archiv, um wenigstens eine Ahnung von einem weithin unbekannten Universum zu erhalten. Selbstredend, mit Bob Dylan fand das Instrument seinen Eingang in den Folkrock, Ennio Morricone machte sie zum unvergesslichen Bestandteil der Filmgeschichte ("Spiel mir das Lied vom Tod"), doch in einer so facettenreichen Spielweise wie hier war sie wohl selten zu hören.
Sväng eröffnen ihr Album mit einer Hommage an das Roma-Blasorchester Taraf de Haidouks ("Haidukka"), tatsächlich kann man sich den Titel auch ohne Weiteres mit einem scheppernden Blechbläser-Ensemble vorstellen. Weiterhin gibt es lebensfrohe Tanzlieder wie Omas Tango ("Tango de la abuelita"), finnische Polka ("Tajukankaan polkka"), Westernsounds aus Lucky Luke-Comics ("Kua kua kome kiki?"), traurige Walzer ("Siliavalssi mollissa"),
die Vertonung des Lebens glücklicher Fische im See ("Kiiskellä kisaa") und eine Referenz an den japanischen Animationsfilmer Hayao Miyazaki ("Prinzessin Mononoke", "Chrihiros Reise ..."). Das musikalische Thema seines bislang letzten Filmes, "Das wandelnde Schloss", stellen Sväng an das Ende ihres ungewöhnlichen Albums, mit dem sie ein weithin verkanntes Instrument in das Blickfeld rücken, immer getreu dem Motto eines Landsmanns, das sie gleich mit ins Booklet ihres Albums aufnahmen. Dessen "These 8" lautet nämlich: "Du sollst deine Ohren und deinen Geist mit Musik besänftigen, die dir bislang nicht bekannt ist."
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Michael Frost, 08.03.2008