Nach seinem erfolgreichen Debüt „Fleisch ist mein Gemüse“ – Vorlage für ein preisgekröntes Hörbuch, einer ‚Operette’ im Hamburger Schauspielhaus, einem Kinofilm – fordert uns Heinz Strunk neu heraus. „Die Zunge Europas“ erzählt uns sieben Tage aus dem kleinen und routinierten Leben von Markus Erdmann. Ein Mittdreißiger, in dem man sich wieder erkennt – der es einem nicht schwer macht mitzufühlen, mitzulachen, mitzuschwitzen. Denn es ist Hitzesommer, ein epochaler!
Marathon für die Ohren? Ja: unsere Leitfigur Markus läuft an der Spitze und wir folgen ihm willig. Der Start ist sein üblicher Gang ins Café Pustekuchen am Sonntag („Sonntag – nichts schmeckt so gut, wie Dünnheit sich anfühlt“), danach zu seinen Großeltern, zurück nach Hause, 18:55 Besuch von Sonja, der Abend, die Nacht, der Morgen… - die Aufzählung der Eckpunkte mag beliebig klingen. Das sind sie auch. Spannend wird der ‚Wettlauf’ in den Momenten, in denen unsere Leitfigur auf der Stelle joggt. In dem die Banalitäten des Alltags zu großen Momentaufnahmen werden. Das Hörbuchcover verbirgt im Hintergrund ein Hinweisschild: „Überfahrt nicht gestattet“.
Warum dieses kleine Detail hier Gehör findet? In der Art seinen Text zu lesen ignoriert Heinz Strunk diesen wohlweißlichen Hinweis konsequent. Er überfährt den Hörer, überrollt ihn, hetzt ihn durch den Text und jagt ihn von einem Moment zum nächsten. Er straft den langsamen, womöglich mit seinen Gedanken abschweifenden Hörer ab.
Dieses Hörbuch fordert uns heraus und ist wahrlich nichts für nebenbei oder einen lauschigen Abend auf dem Sofa. Fast macht es den Eindruck eine Alternative zu piepsenden Dr. Kawashimas sein zu wollen. Warum nicht! Fordern Sie sich heraus und starten Sie diesen Marathon für die Ohren, freunden Sie sich mit den Wortspielen (Wie viele rhetorische Figuren erkennen Sie?), der Jonglage von Erzählsträngen aber auch der besonderen Art ‚nicht-zu-artikulieren’ (das s ist und bleibt ein komplizierter Konsonant) an. Man gewöhnt sich dran, hört sich ein und dann macht es richtig Spaß. Versprochen. Im Zweifelsfall einfach immer wieder ‚zurückspulen’.
Nehmen Sie sich einfach die Zeit, denn schließlich ist es Herbst – „der bittersüße Herbst, Quartal der Genießer, der Kaiser Franz der Jahreszeiten – verstreicht in aristokratischer Nobles und kühlt Mensch und Tier sacht auf normale Betriebstemperatur herunter.“
"Heinz Strunk liest 'Die Zunge Europas"
ist ein Beitrag von Ralf Schünemann.
Ralf Schünemann ist Dipl.-Sprechwissenschaftler
und lehrt an der Pädagogischen Hochschule
Weingarten/Baden-Württemberg.
© Ralf Schünemann, November 2008
HEINZ STRUNK LESEREISE:
03.11.08 Göttingen, Junges Theater
04.11.08 Würzburg, Saalbau Luisengarten
05.11.08 Stuttgart, Wagenhallen
06.11.08 Erlangen, E-Werk
07.11.08 München, Kammerspiele
08.11.08 Konstanz, Stadttheater
09.11.08 Frankfurt a.M., Mousonturm
26.11.08 Kiel, Metro Kino
27.11.08 Flensburg, Max
28.11.08 Oldenburg, Kulturetage
29.11.08 Lübeck, Filmhaus
02.12.08 Osnabrück, Haus der Jugend
03.12.08 Köln, Gloria
04.12.08 Trier, Vareté Chat Noir
05.12.08 Marburg, KFZ
07.12.08 Hamburg, Schauspielhaus
11.12.08 Wolfenbüttel, Bundesakademie
16.12.08 Berlin, Volksbühne
17.12.08 Leipzig, Schauspielhaus
18.12.08 Hannover, Capitol
19.12.08 Mülheim/Ruhr, Ringlokschuppen