Stark. So ist der erste Eindruck, den Soha hinterlässt. Ihr aufregendes Debüt beginnt mit "Tourbillon", einem abwechselnd Spanisch und Französisch gesungenen Stück, das im Untertitel "Serre-moi fort si tu m'aimes" heißt. In Wahrheit ist sie es, die Druck macht, gleich vom ersten Moment an, und spätestens mit dem zweiten Song, "C'est bien mieux comme ça", ist man ihrer Energie, ihrem Rhythmus erlegen.
Soha, so der Name der in Marseille aufgewachsenen Tochter einer Sahrawi-Familie aus der West-Sahara, vereint einen nur schwerlich genauer zu definierenden Stilmix. Hier karibischer Karneval, dort französischer Hiphop, Mestizo-Sound, Ethno-Chanson, Hiphop, Salsa, Reggae, Jazz und R&B - die fast schon beliebig wirkende Liste klingt nach Unentschlossenheit, wächst auf "D'ici et d'ailleurs" jedoch zu einer ganz ungewöhnlichen Einheit zusammen, die von Soha mit ebenso kraftvoller wie sinnlicher Stimme und druckvollen Beats geschmiedet wird.
Sie beherrscht den fliegenden Wechsel der Stile ebenso wie den der Sprachen, häufig innerhalb eines einzigen Songs: "On ne saura jamais whatever people say como empieza l'amour", singt sie, und fast hätte man das babylonische Gemisch gar nicht wahrgenommen, weil alles so selbstverständlich ineinander übergeht, wie ihr alles scheinbar von leichter Hand gelingt: der zurückhaltende Bar-Blues in "Dream Club", das wohl von Lila Downs inspirierte "Mil pasos" - das Album ist voller Höhepunkte, und bei jedem Hören wird sich ein neuer erschließen. Soha, so müht sich der verzweifelte Rezensent, dessen Aufgabe es ist, das in diesem Fall Unmögliche zu tun, nämlich, die Interpretin zu "verorten", also auf einzelne Referenzen festzulegen, doch wie hilfreich kann ein Satz wie "Sohas Ausdruck hat eine Bandbreite zwischen Lauryn Hill und Amparo Sanchez, Lhasa de Selo und Malia, Billie Holiday und Les Nubiens, Madonna und Celia Cruz, Cesaria Evora und Ella Fitzgerald" wohl sein? Eben!
Deshalb ist es besser, die Künstlerin erklärt selber, was sie angerichtet hat: "Ich wollte ein Album einspielen", sagt Soha, "das all meine musikalischen Vorlieben miteinander vermischt. Ich habe es wie ein Gemälde geplant und kreiert, indem ich Schichten musikalischer Farben übereinander legte".
Und genauso klingt es auch. Papageienbunt, überdimensional, in Farben und Formen schwelgend, und ohne jede Rücksicht auf Moden, Richtungen und Strömungen, sondern nur dem eigenen Empfinden folgend. Und in dieser Hinsicht mitreißend und überzeugend. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn diese Sängerin nicht eine große Karriere vor sich hätte.
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Michael Frost, 11.08.2008