Es
war einmal ein Jahrzehnt, da glaubten die Menschen an den ewigen Fortschritt.
Der Vormarsch der Technik war ein Segen, zwei Menschen machten kleine
Schritte auf dem großen Mond, man selbst verreiste zum Mittelmeer.
Man lebte auf der richtigen Seite der Mauer und Kennedy war ein Berliner.
Vati kümmerte sich um das Familienein- bzw. Auskommen, Mutti bekam
zu Weihnachten ein elektrisches Küchengerät und zeigte sich
dankbar.
Die eigenen Kinder fanden dank der Antibaby-Pille reichlich Ablenkung
und experimentierten schlimmstenfalls mit champignonesquen Frisuren.
Nur die schlecht erzogenen Rotzlöffel der Nachbarn rüsteten
sich zur Schande ihrer Eltern für Demonstrationen vor dem Springer-Verlag.
Kurzum: Die Welt war einfach in Ordnung, mit der Betonung auf "einfach",
oder neudeutsch: "easy".
Heute
ist überhaupt nichts mehr "easy". Zwei der vier Pilzköpfe
sind nicht mehr am Leben, die über gut und böse entscheidende
Mauer wich dem globalen Durcheinander. Mutti ist eine Ich-AG, die
Kinder studieren BWL mit festem Blick auf eine Zukunft ohne Rente,
Vati bezieht Stütze und das Wort des Jahres ist "Bundeskanzlerin".
Selbst die Mondlandung wird auffallend vielstimmig als "plumpe
Hollywood-CIA-Fälschung" enttarnt, und den Urlaub am Meer
verleiden Gedanken an Hartz IV, den internationalen Terrorismus oder
Tsunamiwellen - oder alles auf einmal.
Woran
also soll der Mensch von heute noch glauben ? Nun, zur Not einfach
daran, dass früher alles besser war. Da gab es nämlich Leute
wie "The Swingle Singers", "The Soulful Strings",
"The Beach Boys" oder "Honey and the Bees", die
genauso sangen, wie sie hießen, und mit denen sich unerhört
entspannt Weihnachten feiern ließ.
Jedes ihrer Lieder schaffte es, in nur zweieinhalb Minuten eine ganze
cinemascope-farbene Welt auszubreiten, in der alles nach "Happy"-Seife
duftete, Santa Claus mit seinen Rentieren am Horizont vorüber
ritt, Nachbarn sich "Frohe Festtage" wünschten, die
das ganze Jahr nicht miteinander geredet hatten und wo der Strom für
die Grisworld'sche Lichterinszenierung des Eigenheims einfach bloß
aus der Steckdose kam - und nicht etwa aus dem lecken Atomkraftwerk
von Harrisburg.
All
diese unglaublichen Lieder aus einer Zeit, als der Schnee noch vom
Himmel fiel und nicht mit Kanonen in die Landschaft gebombt wurde,
werden seit 2002 in einer fantastischen CD-Reihe festgehalten, die
der Einfachheit halber "Snow" genannt wurde und die Zeile
"The Get Easy (sic!) Christmas Collection" im Untertitel
trägt.
Auf
den drei bisher erschienenen Compilations finden sich neben den Genannten
weitere Größen wie Burt Bacharach, Ella Fitzgerald, Marvin
Gaye, James Brown, Stevie Wonder, The Temptations und viele andere,
deren Kabinettstückchen des Easy Listening
allesamt dem Ziel verpflichtet sind, die Weihnachtswelt in einfachem,
funkelndem Glanz erstrahlen zu lassen, und wie gerne würde man
ihnen glauben ...
In
diesem Sinne, liebe Konsum-Gemeinde: "Look at you, look at
me, sing around the christmas tree ..."
©
Michael Frost, 10. Dezember 2002
Update: 16.12.2005