Der helle, filigrane und spielerische Klang der afrikanischen Kora. Ein Saiteninstrument nach der Art der Gitarre, dessen Klang aber der Harfe ähnelt. Dann der dunkle, majestätisch erhabene Ton des Cello, ein Moment der inneren Ruhe. Wann zuletzt haben zwei Instrumente mit so verschiedenartiger Tradition und Kultur so eng, so untrennbar zueinander gefunden?
Spontan fällt dem Hörer hierzu keine Antwort ein, nur diese Aussage: "Wenn wir heute zusammen spielen, dann verstehen wir uns auch ohne Worte: Ein Blick ist genug. Unsere Herzen schlagen gemeinsam." Der Satz stammt von Ballaké Sissoko. Er spielt die Kora in diesem Atem beraubenden Duo, und sein Partner ist der Cellist Vincent Segal.
Es mag im Bereich des kulturellen Crossover spektatkulärere Produktionen geben, aber kaum eine schönere als diese. Sissoko und Segal folgen der Tradition der Kammermusik, nennen sogar ihr Album so, und lassen ihre beiden Instrumente miteinander sprechen, singen, tanzen, lachen, weinen und trauern - die Schönheit der gemeinsamen Sprache der beiden Instrumentalisten geht tief unter die Haut und ist dabei wirkungsvoller als die Opulenz manch orchestraler Sinfonie.
Vincent Segal hat eine klassische Ausbildung und reichlich Erfahrung mit musikalischen Grenzübertritten. Der Franzose realisierte unter anderem Alben von Georges Moustaki und Jeanne Cherhal, und Sting holte ihn für sein jüngstes Projekt "If on a winter's night" ins Studio und nahm ihn auch mit auf die anschließende Tour.
Ballaké Sissoto gilt in seiner Heimat Mali als einer der herausragenden Kora-Spieler. Seine Musik stammt aus der Tradition der griots, der Musiker, die mit ihren Instrumenten durch die Lande ziehen und mit ihren Erzählungen in den Dörfern die mündliche Überlieferung der Geschichte - und damit die kulturellen Identität - aufrecht erhalten.
Videolink: Sissoko & Segal / youtube
Aufgenommen wurde "Chamber music" im Studio von Salif Keita in Malis Hauptstadt Bamako. Nach nur drei Aufnahmetagen war das komplette Album fertig. Auf nachträgliche Bearbeitungen wurde bewusst verzichtet. Für einzelne Titel suchte das Duo die Unterstützung von Demba Camara (Karignan, ein Percussioninstrument), Mahamadou Kamissoko (Ngoni, eine Laute) und Fassery Diabaté (Balafon, ein Xylophon). Mit Awa Sangho stößt einmal auch eine Gesangsstimme zu den Kammermusikern, doch den Großteil der überwiegend von Sissoko geschriebenen Stücke bestreiten die beiden Musiker allein - mit dem beschriebenen überwältigenden Ergebnis, zu dessen Ende die Antwort auf die Frage, wann zuletzt solche Intensität zwischen zwei so verschiedenartigen Traditionen erreicht wurde, noch immer offen ist.
Folglich ist es wohl so, dass "chamber music" einzigartig ist in Bezug auf die gelungene Verbindung zweier Welten, die hier nicht nur auf der Ebene einer beiläufigen Jam-Session miteinander spielen, sondern tatsächlich so sehr ineinander fließen, bis ihre Herzen im Gleichklang schlagen. Herausragend!