Eingeschworene
Fans freuen sich in der Regel am meisten, wenn eine Band ihrem gewohnten
Sound über Jahre treu bleibt, sich auch von älterem Material
nicht distanziert und Experimente bestenfalls sporadisch, und dann auch
nur mit größter Behutsamkeit angeht.
So gesehen müssten die Fans von Simply Red eigentlich die glücklichsten
Menschen der Welt sein. Mick Hucknell, Kopf, Herz und Stimme der britischen
Popband, hat seinen Sound über die Jahre nämlich nahezu überhaupt
nicht verändert, und dies gilt wiederum auch für das neueste
Werk der Band, das schlicht "Home" betitelt wurde.
Wiederum
der sanft groovende Gutelaune-Pop mit bunten Soul- und Funk-Einsprengseln,
der einschmeichelnde weiche Gesang, die frühlingsleichten Harmonien,
die enthusiastischen Bläser, der das Tempo anheizende Hintergrund-Chor
- Zutaten, die den Simply Red-Sound seit Jahren bestimmen.
In
der Beständigkeit liegen Segen und Fluch dicht beieinander: Fans
werden wiederum euphorisch sein, doch distanzierte, wenn auch wohlwollende
Zuhörer werden sich gähnender Langeweile nicht erwehren
können und sich fragen, ob dieses oder jenes der neuen Stücke,
z.B. die Single-Auskopplung "Sunrise" nicht auch schon auf
einem fünf oder zehn Jahre alten Album von Simply Red gewesen
sein könnte - vermutlich ja. Andere Songs, wie etwa "Lost
Weekend" orientieren sich so überdeutlich an den großen
Erfolgen von Hucknell und Begleitern, dass man um leichtes Unbehagen
kaum herumkommt. Ebenso lässt sich die Feststellung nicht vermeiden,
dass die Masche, die einst den Erfolg begründete, heute als ausgereizt
betrachtet werden muss: Diese Band begnügt sich mit der Reproduktion
ihrer Vergangenheit.
Mit
fast gleichgültiger Routine gelingt ihnen sogar die Adaption
des Bob Dylan-Titels "Positivly 4th Street", bis der Song
schließlich wie eingeebnet wirkt, eingeebnet in den typischen,
gleichförmigen und über die Jahre langweilig gewordenen
Simply-Red-Sound.
In
musikalischer Hinsicht hat sich der Weg von Simply Red verbraucht.
Es ist zwar legitim, die dankbare Fangemeinde dennoch weiterhin mit
der gewohnten Kost zu versorgen, aber dem Rest der musikinteressierten
Welt hat Simply Red wirklich nichts mehr zu sagen. Schade eigentlich.
©
Michael Frost, 27. März 2003