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Synthese aus Chanson
und Electronica


Noch eine lasziv flüsternde Lolita-Stimme? Noch eine Carla Bruni, eine weitere Keren Ann, eine Alizée? Oder tatsächlich eine eigenständige, brillante, faszinierende Stimme? Ausnahmslos entscheiden sich Kritiker und französisches Publikum im Falle von Emilie Simon für letzteres.

Und tatsächlich: Bereits nach den ersten Minuten ihres selbst betitelten Albums ist man dieser Stimme verfallen, erkennt, was den Unterschied zwischen Emilie Simon und den genannten Kolleginnen ausmacht. Sänge sie nicht überwiegend Französisch, könnte man sie für eine Skandinavierin halten; Björk, Múm und Under Byen bieten sich als Referenz an: Emilie Simon ist die Synthese zwischen Nouvelle Chanson und nordischer Elektroszene.

Als "Klangbildhauerin" (Pressetext) wird sie bezeichnet: In Töne gegossen wirken ihre komplexen Songstrukturen, die nur dem ersten Eindruck nach das Klischee des Lolita-Pop erfüllen. Dahinter kommen Tief-, manchmal Abgründe zum Vorschein; raffinierte Passagen aus Orchestersound, elektronischem Minimalismus (Matmos lassen grüßen), Jazz, Pop und Chanson ergeben regelrechte Klanginstallationen, die sie mit ihrer süßlich-verträumten Mädchenstimme zusammen hält, alles fließt ineinander, wird unter ihrer Regie zu einem Muster aus einem Guss, ändert gelegentlich die Klangfarbe und bleibt dennoch immer derselbe Körper. À propos Stimme: "Voice Design" nennt sie das Ergebnis ihres Gesangs im Begleitheft zur CD, mehr als nur ein zarter Hinweis auf die durchdachte Konzeption, in der nichts dem Zufall überlassen bleibt.

Durch ihren Vater, der als Sound-Engineer über ein eigenes Aufnahmestudio verfügte, hatte Emilie Simon bereits im Kindesalter Kontakt zur Musik. Später studierte sie Jazz, allgemeine Musik und Orchesterarrangements, begegnete Größen der internationalen Elektro-Avantgarde wie dem Drums&Bass-Papst Tricky und der Thievery Corporation und arbeitete mit ihnen zusammen.

"Emilie Simon" ist das erste eigene Album der 24-jährigen Ausnahmekünstlerin mit großer Zukunft. Das Debüt bescherte ihr bereits den französischen Schallplattenpreis ("Victoires de la Musique"). Wenn es auf diesem Niveau weitergeht - und daran kann eigentlich kein Zweifel bestehen - ist diese CD nur das erste Aufblitzen eines strahlenden Sterns am französischen Pophimmel. A la bonheur!

© Michael Frost, 19.06.2004


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