"The
European Swing Trio" - was für ein vollmundiger Name! Jörg
Seidel hat mit dem Mut zum Risiko den Anspruch seines Ensembles hoch
gehängt, aber was der 38-jährige Gitarrist auf dem jetzt
erschienenen Album DEDICATIONS zusammen mit dem Geiger Hajo Hoffmann
und dem Bassisten Jean-Louis Rassinfosse bietet, ist nichts weniger
als der einmalige Versuch, an eine große Tradition anzuknüpfen,
die von Django Reinhardt und Stephane Grapelli ausgeht und gegenwärtig
kaum Nachfolger findet.
Jörg
Seidel arbeitet seit fast zwei Jahrzehnten an der Wiederbelebung einer
Swing-Musik, die er selber als Jugendlicher in der musikalisch hochaktiven
Sinti-Gemeinde seiner Heimatstadt Bremerhaven kennen gelernt hatte.
So weit er sich davon auch entfernt hat, hier liegt die Quelle seiner
Inspiration, die das Trio aufgreift, wenn zwischen Eigenkompositionen
aller drei Musiker zwei wenig bekannte Django-Reinhardt-Nummern auftauchen,
die in ihrer Leichtigkeit zu den Glanznummern der CD gehören.
Mit
DEDICATIONS hat der Musiker eine Reifesprung gemacht, denn dieses
Trio spielt den Swing mit einer Frische und Lebendigkeit, als hätte
es ihn gerade neu erfunden. Bassmann Jean-Louis Rassinfosse (53) hat
ein Jahrzehnt mit Chet Baker zusammen gespielt und den schwer kranken
Mann im Auto durch ganz Europa gelotst. Davon, wird berichtet, könne
er die farbigsten Geschichten erzählen.
Aber die drei Musiker, die sich vor zwei Jahren erstmals zusammen
getan haben, sind kein Nostalgie-Club. Sie zehren nicht von verstaubten
Erinnerungen, sie wollen beweisen, dass Swing kein museales Ruhekissen
ist, und das behaupten sie mit einem ebenso gewitzten wie lustbetonten
Ensemble-Spiel, in dem einer - buchstäblich - die erste Geige
spielt. Hajo Hoffmanns Violin-Spiel ist eine Mischung aus stupender
Virtuosität und lyrischer Farbigkeit, aus Eleganz und Lockerheit.
In
seinem fließenden Ton, mit dem er wunderbar weich über
die Seiten gleitet, lebt die Erinnerung an Sinti-Klänge gleich
neben Bossa-Nova-Rhythmen, die Hoffmann aus seiner langjährigen
Wahlheimat Argentinien mitgebracht hat. Es gehört zur Qualität
des Ensemble-Gründers und Produzenten Jörg Seidel, als Sideman
an der Seite großer Musiker bescheiden im Hintergrund bleiben
zu können.
Sein
cool gehaltenes Gitarrespiel - in schnellen Soloimprovisationen oder
getragenen Akkordfolgen - bleibt ebenso dezent wie das Spiel von Rassinfosse,
der mit geduldig treibenden Bassläufen das Trio zusammenhält.
Ob
die drei Django Reinhardt, Charlie Parker (My little suede shoes)
oder Melodiegesättigte eigene Stücke spielen, sie sind Musikanten,
die mit äußerster Lust am Zusammenspiel musizieren, die
eine Beiläufigkeit entfalten, eine Schwerelosigkeit, die nur
aus reichen Erfahrungen kommen kann.
Dabei
macht hat es kaum etwas aus, dass Jörg Seidel zwei weniger überzeugende
Gesangsnummern einbringt, die ein außenstehender Produzent gestrichen
hätte, denn die Stimme fügt sich nicht ein ins betörend
transparente Gesamtbild dieser CD, die daran erinnert, dass der Swing
ein Lebensgefühl verkündet, das mit den 20- oder 30-er Jahren
keineswegs gestorben ist. DEDICATIONS vom "European Swing Trio"
ist eine kleine Sommermusik, verspielt, temporeich, weich und warm,
die zwar wenig mit Jazz-Avantgarde zu tun hat, die aber nicht selbstzufrieden
im Konventionellen stecken bleibt, sondern aus dem Swing den musikalischen
Kern herausschält, sorgfältig und genussvoll.
"European
Swing Trio: Dedications"
ist ein Beitrag von Hans Happel
© Hans Happel, Juni 2005