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Klare Linien


Man ist bisweilen schon etwas irritiert über all die Schweden, die grandiose Krimis schreiben, hervorragende Rockbands gründen, einfallsreiche Möbel bauen - oder fantastische Jazzsängerinnen werden. Wie ist es nur möglich, dass ein Land mit so geringer Einwohnerzahl einen so überdurchschnittlichen kreativen Output erzeugt?

Eine Antwort darauf wird es an dieser Stelle nicht geben, sondern nur ein weiteres, höchst überzeugendes Argument für die aufgestellte These. Ida Sand, einst von Nils Landgren für sein Weihnachtskonzert entdeckt und engagiert, damals noch als Ida Sandlund, anschließend von ihm produziert und mit einem starken Debütalbum ("Meet me around midnight") um die Welt geschickt, gelingt mit ihrer zweiten CD "True love" ein mehr als beeindruckendes Anschluss-Album.

Die 32-jährige Stockholmerin hat bereits jetzt, zu einem überraschend frühen Zeitpunkt ihrer Karriere, einen sehr individuellen Ausdruck gefunden. Ihre fundierte Jazz-Ausbildung bildet dabei die Grundlage, doch ebenso leidenschaftlich ist sie Soul und R&B verbunden: Stevie Wonder, Aretha Franklin dürften sie dabei ebenso stark beeinflusst haben wie übrigens auch die Größen der Rock/Pop-Szene. Auf "True love", wo sich wundervolle Eigenkompositionen wie "My biggest fear", "Devil's game" oder der Titelson "True love" naht- und bruchlos unter individuell geprägte Coverversionen von Jimmy Davies ("Loverman"), Elvis Costello ("Who's gonna help brother get further") und sogar Jimi Hendrix ("Manic depression").

Es ist Ida Sand selbst, die diese sehr unterschiedlichen Vorlagen zusammenführt, bis "True love" schließlich einen einheitlichen, fließenden Sound formt. Ihre Stimme ist - bei aller Wandlungsfähigkeit zwischen hell strahlenden Balladen ("My biggest fear") und kraftvollem Soul ("Devil's game") - unverwechselbar. Dezentes Klavierspiel (Sand selbst) und zwei Gitarristen (ihr Ehemann und Album-Produzent Ola Gustafsson sowie Mattias Torell) unterstützen die klaren Linien der raffiniert-unaufdringlichen Arrangements.

Videolink: Ida Sand "True love" (Youtube)
 

Atmosphärischer Höhepunkt von "True love" ist sicherlich Sands Adaption von Neil Youngs "Heart of Gold". Den Mut, einen über die Jahrzehnte vollkommen überstrapazierten Titel (selbst Boney M. versuchten sich an diesem Song) in das eigene Repertoire aufzunehmen, kann man gar nicht hoch genug bewerten - die Fallhöhe ist enorm. Doch Ida Sand weiß, was sie tut, und sie weiß, was sie kann. So gelingt ihr dieser Evergreen mit der gleichen Souveränität und Gelassenheit, mit der sie auch "Loverman" in eine melancholische Pianoballade verwandelt, bei der sie sich nur von einer vereinsamten Trompete (Peter Asplund) begleiten lässt.

Und zudem gelingt ihr, woran gerade vor wenigen Wochen ihre kanadische Kollegin Madeleine Peyroux noch scheiterte: Ida Sand geht nicht in die Falle der Beliebigkeit. Trotz der sattsam bekannten Originale und der sensiblen Eingängigkeit ihrer eigenen Songs wirkt sie weder anbiedernd, oberflächlich noch auf geschmäcklerische Konformität getrimmt.

Irgendetwas muss wohl dran sein, dass ein Land wie Schweden immer wieder so hochklassige Musiker hervorbringt. Ida Sand jedoch ragt selbst noch aus dieser illustren Gruppe ihrer Kollegen heraus.

 

© Michael Frost, 21.03.2009

 


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