Sie fangen den Hörer mit einem dieser Ohrwürmer ein, die sich erst allmählich - bei mehrfachem Hören - festsetzen, nachdem sie zunächst fast kaum wahrgenommen werden, um dann immer stärker zu wirken.
Woran liegt das? Der Eingangstitel „Playbox“ beginnt mit einer einfachen, schlichten Phrase, die mehrfach wiederholt und vom Schlagzeug allmählich verstärkt wird, ein schöner Wohlklang aus Popmusik und Lied.
Bewegen sich die drei Herren aus der Schweiz, die sich vor acht Jahren zum Trio „Rusconi“ zusammengetan haben, da nicht auf sehr bekannten und von den Bad Plus etwas ausgetrampelten Pfaden des Pop-Jazz? Ja und nein, denn natürlich haben sie bei den erfolgreichen Vorkämpfern eines von Popsongs dominierten Crossover gelernt. Sie schwimmen durchgehend im Bett eines groovenden Schlagzeugstils, der den klaren rhythmischen Fluss vorgibt.
Aber sie sind leiser und subtiler als die bösen Buben aus den USA: Das nach dem Pianisten Stefan Rusconi benannte Trio verzichtet auf Pathos und dekorativen Glamour, es setzt dagegen auf strenge, kammermusikalische Transzparenz.
Rusconi und seine beiden Mitstreiter, Fabian Gisler (Bass) und Claudio Strüby (Schlagzeug), brechen die verführerisch glatte Schönheit ihres schnörkellos entwickelten melodischen Materials fast unmerklich auf. In „Point of no Return“ gibt es mitten im schönsten Riff einen Break, in dem der Bass ein Solo setzt, das wiederum dem Pianisten einen improvisierenden Zwischenakt erlaubt, der raffiniert und souverän zu den Themen des Anfangs zurückfindet.
Das ist dicht komponiert, die Struktur erinnert an das Muster schöner, kurzer Popsongs, aber es sind die fast unscheinbaren, kleinen Brüche und Ausbrüche, mit der diese exzellenten Musiker ihre Songs unter Spannung setzen.
Sie sprengen die schönen Konventionen in kleinen Dosen, dabei beherrschen sie die langsamen, lyrisch-zarten Nummern ebenso wie die schnellen, quirligen Stücke. Stefan Rusconi spielt mit seiner Virtuosität niemals vordergründig, er bleibt mit behutsamer Geläufigkeit wie mit kantig rockigen Riffs ausschließlich dem musikalischen Gesamtbild verpflichtet.
Videolink: Rusconi "One up down left right" / Quelle: youtube
Alle 12 Nummern dieses Albums, Rusconis Debüt bei Sony, sind Eigenkompositionen, und sie alle wirken lässig, leicht und luftig. Wie ohne jede Anstrengung hingeworfene feine Skizzen lauter schöner Einfälle. Eine narrative Musik, wie die Titel anzeigen, „Dead Man Walkung“, „Helsinki“, „Girl with the dancing silver shoes“, eine Musik aus „jazzoiden Großstadt-Nocturnes“, wie das Info-Material verheißt. Damit zählen sie nicht zur Avantgarde, aber sie gehören noch weniger in die Abteilung der gefälligen Easy-Listening-Lounge.
Sie öffnen die Musik des klassischen Jazz-Trios einem jungen Publikum, das diese Tradition gar nicht kennt und von „Rusconi“ verführt wird, sich hinein zu hören in eine vertraute und doch fremde Welt, die ihren Ursprung bei den Klassikern hat, die aus dem Klaviertrio in den 50er Jahren die Königsgattung des Jazz machten.