Sie
haben an sich geglaubt, sich auch von anfänglichen Rückschlägen
nicht unterkriegen lassen, sondern unverdrossen an der eigenen Idee
gearbeitet, und nach Jahren der Mühsal wurden sie mit der Lust
der Höhen belohnt: Rosenstolz, das Duo aus der Berliner Subkultur,
gehört zu Deutschlands erfolgreichsten Bands. Mussten sie ihre
ersten Produktionen noch eigenhändig nach Konzertschluss an Mann
& Frau bringen, so wird jede neue Veröffentlichung inzwischen
von einer ganzen Kampagne begleitet. Rosenstolz sind ein Ereignis.
Doch
der Ruhm hat seinen Preis. Was die einen als "Reife" bezeichnen,
gilt den anderen als Langeweile. Das Erwachsenwerden hat nicht nur
Vorteile, es ist mit Anpassung und Nachdenklichkeit verbunden - Vorgänge,
die zu Lasten von Spontaneität und Querdenkertum gehen. In dieser
Hinsicht ist "Herz", mittlerweile die neunte Produktion
von AnNa und Peter Plate, eine Enttäuschung. Der subversive Unterton
früherer Alben ist verschwunden. Kaum noch eine Spur von grandiosen
Momenten wie "Soubrette werd' ich nie" oder der knisternden
Erotik im "Objekt der Begierde". Erwachsenwerden, das ist
für Rosenstolz die Auseinandersetzung mit Partnerschaft, ihrem
Anfang und ihrem Ende, auffallend häufig mit einem resignativen
Unterton ("Die Liebe ist tot"), aber oft genug ohne wirklich
zu berühren.
So
klingt "Herz" streckenweise wie eine vorgezogene Midlife-Crisis
von Spätpubertären, und wäre da nicht die professionelle
und abwechslungsreiche musikalische Umsetzung, so wäre "Herz"
eine Enttäuschung auf der ganzen Linie. Denn der Musik hat die
Reife gut getan. Rosenstolz haben ihren Sound erneut erweitern können,
sie beherrschen ein breites Spektrum zwischen dem Plastiksound der
80er und druckvollem Poprock auf internationalem Niveau, wobei die
besondere Stärke des Duos immer noch im dramatischen Ausdruck
epischer Balladen liegen dürfte, in denen AnNas Gesang in den
Vordergrund tritt.
So
bleibt man nach dem Hören von "Herz" mit ambivalenten
Gefühlen zurück und lässt die Band lieber selbst zu
Wort kommen: "Herz" sei ein "Album auf der Suche nach
Liebe", erklären Rosenstolz (Pressetext), und: "Liebe,
die wir bekommen haben, Liebe, die wir gegeben haben, Liebe, nach
der wir uns sehnen, und es ist auch voll von Liebe, die sich wohl
nie erfüllen kann."
©
Michael Frost, 20. März 2004