Es ist einige Jahre her, seit Lou Rhodes mit ihrer Band "Lamb" zu den Wegbegründern des Triphop gehörte, einer Musikrichtung zwischen düsterem Drums&Bass, Elektronik, Hiphop und bittersüßen Gesangsstimmen. Während Kollegen wie Portishead und Massive Attack inzwischen an einer Renovierung ihres Sounds arbeiten, schwor Lou Rhodes - auf den ersten Blick - ihrer Herkunft ab, ließ das Großstadtleben hinter sich und zog mit dem Wohnmobil durch die Lande.
Inzwischen ist sie wieder sesshaft geworden, veröffentlichte 2006 ein viel beachtetetes Solo-Debüt "Beloved one" und steht jetzt mit einer Fortsetzung in den Startlöchern, die, wie ihr Vorgänger, vor allem durch Indie-Folk-Elemente geprägt ist. So wird sie inzwischen weniger mit Beth Gibbons und Elisabeth Fraser verglichen, sondern eher mit Joni Mitchell oder Alanis Morrissette.
Doch trotz der stilistischen Schlichtheit ihrer Melodien und Arrangements, bei denen sie sich auch auf "Bloom" zumeist auf die Wirkung ihrer Stimme im Zusammenspiel mit der akustischen Gitarre verlässt, blitzt die Leidenschaft für epische Spannungsbögen, die zum Wesensmerkmal des Triphop gehören, auch auf ihrem neuen Album durch. Zum Glück, denn sonst wäre "Bloom" ein deutlich weniger spektuläres Album.
"All we are" beginnt mit einem leisen Duo aus Gitarre und Klavier, dem schließlich ein erdiges Schlagzeug und ein Streicher-Ensemble folgen, die den Song schließlich zu seinem atmosphärischen Höhepunkt treiben. Die Dramaturgie ist ungemein stimmig auf "Bloom", auch andere Lieder funktionieren nach diesem Muster und heben das Album aus dem oft tristen Einerlei vieler Folk-Veröffentlichungen heraus.
Ihre Songs, sagt Lou Rhodes selbst, entstünden nicht im Kopf, sondern "in den Eingeweiden". Das klingt pathetischer als die Musik wirklich ist, denn man mag sich durchaus vorstellen, dass Schmerz und Dramatik ihrer Songs noch deutlicher unterstrichen würden und dadurch noch nachhaltiger wirken könnten, etwa so, wie Portishead-Kollegin Beth Gibbons es 2003 mit ihrem stilbildenden Solo-Album "Out of season" vormachte.
Doch ihr Weg ist ein anderer, der Ausdruck ein sehr persönlicher, trotz der melancholischen Stimmung freundlicher und oft an der Musik amerikanischer Vorbilder orientiert, und daher gelingt ihr, wie schon vorher mit "Beloved one", auch jetzt mit "Bloom" ein sehr schönes, stimmiges und von einem deutlich spürbaren roten Faden aus atmosphärischer Tiefe durchwirktes Album.
©
Michael Frost, 17.02.2008