„Ask the Gods“ empfiehlt Britta Rex im ersten von 9 Songs, die sie mit ihrem Quartett und einigen Gastsolisten auf der CD „Traces of Life“ vorstellt. Ein kühler Glanz liegt auf diesen Liedern, es sind lauter kleine Erzählungen, in denen die Sängerin eigenen Lebensspuren nachgeht. 1970 in Hildesheim geboren, kam sie über Pop, Rock und Soul-Versuche zum Jazz.
Britta Rex ist heute gefragter „Vocal-Coach“ bei Jazz-Workshops, sie unterrichtet Jazz-Gesang an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover und arbeitet als Chorleiterin. Ihre kultivierte Stimme verblasst keineswegs in akademischer Präzision, ihr feinnerviger Gesang lebt von einer charakteristischen Färbung in Ton und Timbre.
Ihre ebenso kunstvoll wie zart arrangierten Lieder, gecovert oder selbst geschrieben, wechseln ohne jede Anstrengung zwischen leiser Melancholie und elegant swingender Ballade. Ob sie McCoy Tyners „You taught my heart to sing“ mit heftig swingendem Groove covert oder in eigenen Lyrics zu einer hoch komplexen Melodie des Saxophonisten Bernd Dallmann vom Wiederentdecken der Freunde singt („Lost...but finally found“), immer bleibt etwas Eigenes hörbar, das bei aller stimmlichen Perfektion dieser Sängerin etwas Weiches, Zartes und Kühles gibt.
Ihre Stimme lässt sich nicht unter die nordischen Natur-Schönheiten einordnen, sie klingt weder exotisch noch gebrochen, und doch gehen Musik und Gesang unter die Haut. Die Mitglieder ihres seit fast 10 Jahren bestehenden Quartetts (Christoph Münch, Piano, Lars Hansen, Bass, Edward Filipp, drums) üben sich in souveräner Zurückhaltung und lassen die Gäste solistisch hervortreten: Neben Bernd Dallmann mit einem wunderschönen Saxophon-Song brillieren Beatrice Kahl (Fender Rhodes), Eva-Maria Borghoff (Flute), Stefan Golinski (trombone) und Nils Tuxen.
Alle Songs dieses Ensembles sind Kleinodien. Ausgefeilt gearbeitet, mit Liebe zum Detail, erzählen sie von Ruhe und Harmonie („Peace“ von Horace Silver), präsentieren die Fähigkeit dieser Sänger das klassische Swing-Vokabular zu beherrschen (die Eigenkomposition „Studies of falling down“, eine New-York-Reminiszenz, erinnert im Zugriff der Stimme an Ella Fitzgerald) und sprechen von der Lust an ungewohnten Zwischentönen:
Den Schluss-Song „Blue Burqas&High Heels“ erläutert die Sängerin im Booklet: „Ein Trip Richtung Osten. Die Musik kam zu mir, als ich am klavier sass und probierte. Selbst überrascht von dem orientalischen Charakter und nach einem titel suchend hörte ich einen bewegenden Radiobeitrag über das Leben der Frauen in Afghanistan nach dem Ende der Talibanherrschaft. Mädchen und Frauen war es bis dahin verboten, Bildungseinrichtungen zu besuchen, zu arbeiten, ohne männliche Begleitung das Haus zu verlassen. Jegliche weltliche Musik war verboten, Frauen mussten in der Öffentlichkeit ihre Körper in Burkas hüllen. Bei näheren Recherchen stieß ich auf ein eindrucksvolles foto, das eine Gruppe von Frauen zeigt, die gkleidet in blaue Burkas durch die Strassen schlendern. An ihren Füssen blitzen hochhackige silberne Pumps hervor.“
Verrät Britta Rex in diesem Bild unterschwellig etwas über die eigene Musik? Inerhalb der fremden Klänge, die hier mit einem faszinierend leuchtenden Chatgesang enden, findet und erfindet eine Sängerin sich selbst. Unter dem weiten Mantel der Jazz-Traditionen, in der perfekten Anverwandlung des Jazz-Vokabulars, entdeckt sie die eigene Aura und Ausdruckskraft.
„Traces of Life“ ist ein mutiges Album, kompromisslos in seinem Verzicht auf easy-listening-Klänge und schön in seiner vielfältigen Einfachheit.
© Hans Happel, 23. August 2009