Die
"Red Hot"-Benefiz-Serie ist seit 1990 fester Bestandteil
internationaler Kampagnen von Musikern im Kampf gegen die Ausbreitung
des HI-Virus und der Diskriminierung der Opfer der Krankheit, die
mittlerweile in Afrika zur zweithäufigsten Todesursache geworden
ist. Die Initiatoren von "Red Hot" haben von Anfang an
auf die große Gefahr, die von AIDS ausgeht gewarnt. Der Erfolg
der Kampagne liegt nicht nur an der guten Absicht allein. Besondere
Aufmerksamkeit genießt die große Anzahl der Veröffentlichungen
durch die Qualität der Aufnahmen.
Schon
auf "Red Hot + Blue", der ersten CD von 1990, war es gelungen,
eine illustre Musikerschar aus aller Welt, darunter K.D. Lang, U2,
Salif Keita, The Pogues und Annie Lennox, dazu zu bewegen, ihre
Beiträge unter ein gemeinsames Motto zu stellen. Damals ging
es um Cover-Versionen alter Cole Porter-Hits.
1996 dann widmete sich das "Red Hot"-Projekt gleich mit zwei Alben der Bossa Nova:
RED HOT + RIO
Auf "Red Hot + Rio" ist, wie der Titel vermuten lässt,
die Musik Brasiliens das Thema, und zwar der Bossanova mit einem
seiner berühmtesten Begründer: Atonio Carlos Jobim. Seine
seit Ende der 1950er Jahre entstandenen Titel werden allerdings
nicht in ihrer klassischen Form präsentiert, sondern in einer
aktuellen Variante, elektronisch verstärkt und dancefloortauglich.
Das
Album ist voller bekannter Melodien, allesamt neu und zeitgemäß arrangiert, darunter Klassiker wie "Corvocado" in einer Version von Everything but the Girl, "Desafinado" als Duett von Astrud Gilberto und George Michael (das Stück ist auch auf seinem Best-of-Album "Ladies and Gentlemen" enthalten) oder "Agua de beber" ("Water to drink"), wiederum von Jobim und Vinicius de Moraes, Crystal Waters mit einer augenzwinkendern Umdichtung des legendären "Girl ..." zum "Boy from Ipanema". Ryuichi Sakamoto, Japaner mit ausgeprägter Bossa-Leidenschaft, nahm mit Caetano Velose und der kapverdischen Weltmusik-Diva Cesaria Evora eine wunderschöne Fassung von "É preciso perdoar" auf - und auch der Meister selbst ist auch zu hören: Antonio Carlos Jobim gibt sich mit "How insensitive" die Ehre eines Duetts mit Sting.
"Red
Hot + Rio", unsere Empfehlung anlässlich des internationalen
AIDS-Tages am 1. Dezember, ist ein interessantes und gelungenes
Experiment der Erneuerung typisch brasilianischer Rhythmen, an der
sowohl die einheimischen Legenden der Szene wie Milton Nascimento, Marisa Monte und Roberto Menescal beteiligt sind als auch Nachwuchs-Stars
wie Bebel Gilberto und der Begründer des Tropicalia-Sounds Gilberto Gil.
Das Kalkül der Macher: Durch diese aktuellen Adaptionen soll einem jüngeren Publikum der Weg zu den Originalen geebnet werden. Und so wurde gleich ein zweites Album, erklärtermachen als "companion to Red Hot + Rio" mit veröffentlicht:
NOVA BOSSA - RED HOT on VERVE
Dieses Album kann als perfekter Einstieg in die Welt der Bossa Nova bezeichnet werden, enthält es doch mit "Agua de beber" (Astrud Gilberto & Antonio Carlos Jobim), "Girl from Ipanema" (Joao Giberto, Jobim, Stan Getz), "Desafinado" (Getz, Charlie Byrd), "Consolação" (Baden Powell), Corcovado (Gilberto, Getz) usw. nahezu alle Klassiker des Genres, jeweils in ihren Originalversionen bzw. in ihren berühmtesten Fassungen.
Dabei ergeben sich zwischen beiden Alben spannende Vergleiche: Man erkennt bei Crystal Waters' "Boy from Ipanema" die gute Absicht, doch neben dem fantastischen Original mit dem Gesang von Astrud Gilberto wirkt es geradzu unverhältnismäßig hektisch und überproduziert. Wer, wie Marisa Monte und David Byrne, behutsamer vorging ("Waters of March"), hat dagegen durchaus eine reelle Chance, neben "Aguas de Março" in der Fassung von Jobim und Elís Regina zu bestehen.
Und die beiden Wegbereiter der "Tropicalia", die seit Ende der 60er Jahre versuchten, Bossanova und Samba durch stärkere Beats und gegenwartsbezogenere Texte zu modernisieren, können sich stolz zurücklehnen: Caetano Veloso und Gilberto, der später sogar Kulturminister Brasiliens wurde, haben es geschafft. Ihre Beiträge auf "Red Hot on Verve" ("Superbacana"/Veloso, und "Aquele abraço"/Gil) sind Beispiele für die fortwährende Auseinandersetzung brasilianischer Musiker mit der Bossa Nova, die letztlich dafür verantwortlich ist, dass dieser Stil auch an seinem 50. Geburtstag noch ebenso frisch und vital wirkt wie zu Zeiten seiner Gründung.
© Michael
Frost /1. Dezember 2001
Update: 06. August 2008