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Mit offenen Ohren

 

Dass es das nicht längst gab?! Ein komplettes Album des naiv-bunten Putumayo-Weltmusiklabels zum Thema "Italien"?! - Bietet sich das Land mit seiner ausgeprägten Cantautore-Tradition doch geradezu an für eine sehnsuchtsvoll-leidenschaftliche Zusammenstellung. Doch nun wurde die Lücke gefüllt, auch wenn die versammelten elf Stücke kaum mehr als ein Appetizer sein können.

"Putumayo presents Italia" erhebt - getreu dem Label-Prinzip - keinerlei Anspruch auf Repräsentativität oder gar Vollständigkeit. Es ist eine Momentaufnahme, in diesem Falle von einer agilen Szene ambitionierter Singer/Songwriter, die in Italien übrigens schon "cantautori" hießen (cantare = singen / autore = Texter/Schriftsteller), als man hierzulande noch von "Liedermachern" sprach.

Erstaunlicherweise scheint das Metier eine reine Männerdomäne zu sein: Frauen hört man auf "Italia" nämlich fast gar nicht. Die einzige Ausnahme bildet Lu Colombo, deren Karriere bereits in die 1970er Jahre zurückreicht. Damals sang sie Pop und Folk, später Disco. Inzwischen wird sie vom "Maurizio Geri Swingtet" begleitet.

Obgleich die meisten Namen diesseits der Alpen nur eingefleischten Italien-Kennern ein Begriff sein dürften, sind nahezu alle Künstler bereits seit Jahren feste Größen ihres Genres: Lino Straulino beispielsweise. Er singt im Dialekt des Friaul und greift die Traditionen dieser Region auch in der Musik und seinen Geschichten auf. Andere experimentieren mit fremden Musikstilen: Alessandro Pitonis "Colpo di coda" ist ein verschmitzter Tango, während Simone lo Porto, einer der wenigen Jungen auf dem Album, italienische Sprache und brasilianische Bossanova vereint.

In ihrer Mischung aus regionalen Traditionen, weltläufigen Einflüssen und persönlichem Charisma wirken sämtliche Beiträge nicht nur individuell und ausdrucksstark, sondern vor allem sehr kultiviert und stolz. Vielleicht trifft die Band "Rossomalpelo" ("Il mare mi salva") das Motto des Albums mit der Beschreibung ihrer eigenen Musik am besten: "Musik für Erwachsene" sei ihre Vision aus Latin-Pop, Folk und Gypsy Swing.

Dieser Beschreibung würden wohl auch die prominenteren Beteiligten zustimmen: Gianmaria Testa etwa, der große Songpoet aus dem Piemont, und Giorgio Conte, der immer ein bisschen im Windschatten seines jüngern (!) Bruders Paolo segelt, und auch die in Würde gereifte Multikulti-Truppe Bandabardò.

Den Ausblick auf die nächste Generation des stolzen Genres liefern am Schluss zwei neue Namen: Marco Calliari mit einer witzigen Adaption von Renato Carosones "Tu vuo' fa' l'americano" (Calliari selbst wuchs als Kind italienischer Auswanderer in Kanada auf, bevor er vor einigen Jahren seinerseits nach Italien zog), und schließlich Alessandro Mannarino, der den vielleicht stärksten Eindruck hinterlässt. Mannarino ist Römer, und in seiner Musik mischen sich die vielfältigen kulturellen Stränge der Haupstadt: Latinpop, Gypsybrass, Cantautore-Tradition und mediterrane Leidenschaft.

Er ist bei weitem nicht der einzige, der Lust macht auf mehr. Es scheint, als verfüge die italienische Musikszene doch über weit mehr gegenwärtiges Potential als man hierzulande meint. Insofern ist die Momentaufnahme mehr als gelungen, und als "Appetizer" ist die Compilation allemal Anreiz für Interessierte, Augen - und vor allem Ohren - offen zu halten.

© Michael Frost, 24.07.2009

Titelliste "Putumayo presents ITALIA":
01 Simone Lo Porto • Il Girasole
02 Rossomalpelo • Il Mare Mi Salva
03 Alessandro Pitoni • Colpa di Coda
04 Bandabardò • Il Principiante
05 Giorgio Conte • Balla Con Me
06 Lu Colombo & Maurizio Geri Swingtet • Gina
07 Gianmaria Testa • Il Viaggio
08 Lino Straulino • La Piccola Inglesina
09 Rocco De Rosa • Iquique
10 Marco Calliari • L'Americano
11 Alessandro Mannarino • Me So Mbriacato


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