Prince
ist einer der wenigen mehrdimensionaler Künstler im Popgeschäft.
Er gab sich nie damit zufrieden, nur die Ohren seiner Zuhörer
zu erreichen - er zielte direkt ins Herz, das Lustzentrum, aber auch
den Verstand, durchbrach gleich reihenweise sexuelle und moralische
Tabus.
Diese
einzigartige Mischung aus musikalischem Genie und gesellschaftlichem
Nonkonformismus machte ihn zu einem der bedeutendsten Soul-, Funk-
und R&B-Interpreten überhaupt, und "Musicology"
soll, so lassen Titel und Artwork seiner neuen CD vermuten, sozusagen
den theoretischen Überbau für das Klangkonzept des Meisters
liefern.
Die
geraffte Fassung seiner Vision liefert bereits der Titelsong, der
das Album auch eröffnet. "Musicology" ist eingängig,
groovt und geht direkt in die Beine, aber verweigert sich dem üblichen
3 Minuten Popsong-Schema. Abrupte Brüche ziehen sich nicht nur
durch diesen, sondern auch viele andere Titel, als sollten zusätzliche
Ebenen eingebaut werden. Gelegentlich tritt Prince sogar neben sich:
Am Ende des Openers hört man ihn den Sendersuchlauf eines Radios
betätigen, doch auf allen Programmen ist vor allem einer zu hören:
er selbst. Hier fließen die Grenzen zwischen Eitelkeit und Selbstironie.
"Wish
I had a dollar 4 every time they say don't u miss the feeling music
gave ya ... ?", damit erstickt er lästige Fragen gleich
im Ansatz. Eine längere Beschäftigung mit seiner - für
viele überraschenden - Rückkehr interessiert ihn offenkundig
nicht. Er sei mit Leidenschaft Musiker, ließ er verlauten, und
entsprechend eindeutig ist auch die Botschaft seiner Songs: "Keep
the party moving".
Prince
sieht sich selbst in der Tradition von Earth, Wind and Fire und James
Brown, aber längst hat er seine eigene Linie begründet.
Insbesondere die ruhigeren Songs auf "Musicology" wie "A
million days" wecken Erinnerungen an seine eigenen Erfolge, die
längst als Klassiker gelten. "Call my name" etwa reiht
sich nahtlos in die Tradition seiner großen Hits ein. Gerade
diese Songs unterstreichen die Bedeutung seines Comebacks: ohne Prince
wäre die Musikszene ärmer.
Schwer
zu sagen, wo "Musicology" in der weiten Skala Prince'scher
Meisterwerke eingeordnet wird. Die Erwartungen waren enorm, und der
bereits im Albumtitel formulierte Anspruch, nicht einfach nur Musik,
sondern gewissermaßen ein wissenschaftliches Konzept zu formulieren,
ist alles andere als Understatement. Kritiker werden entsprechend
- wie eigentlich bei jedem bisherigen Prince-Album - zu unterschiedlichen
Schlussfolgerungen kommen. Prince kann's egal sein: Er war schon immer
ein Meister der Polarisierung, doch auch darin kann man ein Zeichen
seiner Einzigartigkeit sehen.
©
Michael Frost, 19. April 2004