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Diesseits von '1999'


Ein Prince-Album ist immer eine Herausforderung. Für seine Fans, das Management, die Plattenfirma. Er verweigert sich jedem Klischee, verschwindet für Jahre aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit, taucht dann plötzlich an unvermuteter Stelle wieder auf und lässt ratlose Kritiker zurück. So ungefähr war der Ablauf auch vor 2004, als Prince mit seinem programmatischen Album "Musicology" auf die Bildfläche zurückkehrte.

Nun folgt "3121", wieder ein kryptischer Albumtitel, wieder eine neue Plattenfirma, aber der alte Prince, der sich erneut allen Erwartungen verweigert und seinen Fans einen schweren Brocken vor die Füße legt. Die eingängigen Songs, die großen Ohrwürmer, mit denen er berühmt wurden, gehören wohl endgültig der Vergangenheit an. Prince geht bei der Verwirklichung seiner noch immer unablässig strömenden Ideen keine Kompromisse ein. Ein kurzes Zitat (das Intro des Songs "Fury" variiert seinen eigenen Hit '1999') muss reichen, und dann folgt der Maestro seiner Idee eines zeitgemäßen Sounds aus Rock, Soul, Funk, R&B, Earth, Wind & Fire und Stevie Wonder - diesseits von 1999.

Dabei vermeidet er wiederum jeden Anflug von Gefälligkeit, indem er gegenläufige Elemente aufeinander prallen lässt. Allzu große Harmonien unterlegt er mit nervös wummernden Bassläufen ("3121"); wo man ein hitzigen Bläsersatz erwartet, treibt er den Sound mit schneidend kaltem Synthesizer unter den Gefrierpunkt. Immer wieder bricht er Tempo, Rhythmus und Lautstärke, umgeht das traditionelle Songschema von Strophe, Refrain und Strophe, unterläuft die Hörgewohnheiten.

Andere Musiker, die dermaßen überlegt und überlegen agieren, würde man vielleicht als "verkopft" bezeichnen. Nicht so Prince. Denn die emotionsgeladende Grundrhythmik von Soul, Funk und Blues bleibt als Ursprungsort seiner Visionen spürbar, seine Herkunft aus den 80ern spürbar, und manchmal bricht sie sich Bahn - etwa im dunkel-gewaltigen Opus "The Dance" und dem darauf folgenden furiosen Schlusstitel "Get on the boat", und schon ist man ihr wiederausgeliefert: der Prince'schen Naturgewalt aus Leidenschaft und Energie.

Genau hierin liegt seine Qualität. Prince im Jahr 2006 ist weniger denn je ein Popmusiker. Seine neuen Songs sind kleine Kabinettstückchen, intelligent gestrickt, spannend, weil unberechenbar inszeniert. Kurz gesagt: Sie passen nicht ins Radioformat. Und tun sie es einmal doch, wie die vorab ausgekoppelte Single "Te amo corazon", freut man sich einen Moment, bevor man sich dann doch langweilt und sich den überraschenden und überwältigenden Prince zurück wünscht.

© Michael Frost, 26. März 2006


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