Zwölf
Jahre nach ihrem Meisterwerk "Give Out But Don't Give Up"
kehren "Primal Scream" zu einem rüden, rustikalen
Rock'n'Roll zurück, der all den Garagenbands des Jetzt, Hier
und Heute eindrucksvoll zeigt, wo der Barthel den Most holt. "Riot
City Blues" heißt das Opus, über den der NME titelte:
"Lauter als Liam, dunkler als Doherty".
Und wahrlich - der Titel ist Programm: Keine Spur von synthetischen
Bits & Bytes, stattdessen lärmen messerscharfe Bluesriffs,
die eher nach Ungehorsam denn nach Duckmäusertum klingen.
Im Unterschied zu anno dazumal, widmen sich die Musiker 2006 eine
ganze Platte lang den Wurzeln des modernen Rock'n'Roll: Blues,
Boogie, Garagenrock, Soul und Country sind die Zutaten aus denen
die Jungs einen coolen Sound zimmern, in dem "funky grooves
und easy pop tunes", wie der Engländer sagen würde,
nichts mehr zu suchen haben. Erstaunlich: Diesmal legten keine
Meisterproduzenten des Südstaatenrocks wie Tom Dowd ("Lynyrd
Skynyrd") oder George Drakoulias ("Black Crowes"),
Hand an das Werk, sondern die britische Studio-Legende Youth,
die bereits Größen des Brit-Pop wie "The Verve"
den letzten Schliff verlieh.
Siehe da: Dem Briten gelingt es zusammen mit den Musikern ein
Album zu erschaffen, dass so authentisch die Musik der 60er und
70er Jahren einfängt, dass man vor Ehrfurcht den Hut zieht.
"Riot City Blues" ist vom ersten bis zum letzten Ton
eine einzige Reminiszenz an jene Zeit, als die "Stones",
"Stooges", Neil Young und "ZZ Top" ihre Glanzzeiten
hatten.
Die aktuelle Single "Country Girl", die zugleich den
Nostalgiereigen eröffnet, ist beherzter Southern-Rock wie
aus dem Lehrbuch, versehen mit einer Melodie, die einem nicht
mehr aus dem Ohr gehen will. "Suicide Sally & Johnny
Guitar" ist rüder Garagenrock, der einem Donnerritt
auf der Harley über den Highway gleicht. Scharf wie Chilli
sind auch der souligen Bluesrockknaller "Nitty Gritty"
und das flotte "The 99th Floor", bei denen sich die
Gruppe erneut von ihrer ungehobelten Seite zeigt. Einziger Wermutstropfen:
"We're Gonna Boogie" klingt wie ein Boogie, der sich
in einer Endlosschleife befindet. Ein eintöniges Lied, dem
etwas mehr Abwechslung gut getan hätte.
Ruhepol zwischen all den lärmigen Stücken ist der meditative
Soundtrack zur nächsten Sitzung beim Yoga-Guru, namens "Little
Death", der durch sein indisches Flair besticht. Die Ballade
"Sometimes I Feel So Lonely" ist Herzschmerz vom Feinsten,
mit einer Mundharmonika, die trauert, als stünde eine Beerdigung
bevor.
Die Stimme von Mastermind Bobbie Gillespie klingt so schmutzig
und lasziv, wie es einem solchen Werk angemessen ist. Die Texte
passen sich der Musik an, sind schlüpfrig und anstößig.
Auch drei Gastmusiker ließen es sich nicht nehmen, an dem
famosen Silberling mitzuwirken: Alison Mosshart, Sängerin
der "Kills" singt sich bei mehreren Rockknallern die
Kehle heiser, "Echo & The Bunnymen"-Gitarrist Will
Sergeant verleiht dem Stück "When The Bomb Drops"
psychedelisches Flair und Multiinstrumentalist Warren Ellis ("Nick
Cave & The Bad Seeds") leistet ebenfalls seinen Beitrag
zum Gelingen des Silberlings.
"Let's Have A Good Time" singen die Jungs voller Euphorie
in dem Stück "Dolls". Und wahrlich: Man hat seine
Freude an dem "Sweet Rock'n'Roll", so der Titel eines
Stücks, dem das Sextett "Primal Scream" nun schon
ein zweites Mal mit Leidenschaft und Authentizität ein Denkmal
setzt.