"Niemals",
schrieb eine französische Rezensentin, "war der Klang seiner
Gitarre so klar wie auf diesem Album". Man mag die Aussage für
übertrieben halten, denn in der langen Karriere von Baden Powell
enthält wohl jedes Album außergewöhnlich schöne
Einspielungen, und dennoch ist diese CD sicher ein besonderes Juwel.
Sie
ist der posthume Gruß eines der größten Instrumentalisten
unserer Zeit: Baden Powell. Der introvertierte Brasilianer mit der
viel zu großen Brille ist als Komponist, Gitarrist und Interpret
eine Legende der brasilianischen Musik. Er starb vor sechs Jahren,
nach den Aufnahmen zu diesem Album, die sein Freund und Produzent
Armando Pittigliani erst jetzt zur Veröffentlichung freigab:
"Baden plays Vinicius" - Baden Powell spielt Lieder von
Vinicius de Moraes, einer weiteren Legende der brasilianischen Musikszene;
Poet, einer wie der andere, und Baden Powell führt mit seiner
Gitarre noch einmal ein intimes Zwiegespräch mit dem Künstlerkollegen.
Powell,
der einmal als "Gandhi der brasilianischen Seele" bezeichnet
wurde, zeigt auf diesem Album ein letztes Mal sein herausragendes
Können, geht aber nochmals einen Schritt weiter. Die Atmosphäre,
die er mit zehn Fingern erschafft, ersetzt bei weitem ein ganzes Orchester,
sein lautmalerisches Spiel erzählt Geschichten, seine Gedanken
scheinen zum Greifen nah, seine Virtuosität beflügelt auch
die Gedanken des Zuhörers, und ein Gefühl der Entspanntheit
durchflutet den Körper, wie es Hightech-gerüstete Chillout-Produzenten
nicht annähernd erreichen, und mögen sie auch noch so viele
Regler bewegen.
Acht
Stücke enthält dieses außergewöhnliche Album.
Alle Titel hatten Powell und de Moraes einst gemeinsam geschrieben,
darunter die berühmte "Samba do bencao". Dennoch blieb
er über längere Zeit - ganz der Prophet - im europäischen
Ausland erfolgreicher als in Brasilien selbst. Davon kann längst
keine Rede mehr sein,
Powells Werk gehört zum klassischen Kanon brasilianischer Musikgeschichte,
und vielleicht führt die späte Veröffentlichung dazu,
die Musik und sein Spiel lebendig bleiben zu lassen. "Baden plays
Vinicius" bietet die perfekte Möglichkeit, den "Gandhi
der brasilianischen Seele" für sich zu entdecken.
©
Michael Frost, 01.09.2006