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Die äußerste Reduktion


Obwohl die 1960 geborene Leila Pinheiro die ersten Jahre des Bossanova gar nicht miterlebte, so gehört sie heute doch zu den Vertreterinnen des Genres in seiner ursprünglichen, fast klassischen Form. Auf "Agarradinhos", das sie gemeinsam mit 70-jährigen Gitarristen Roberto Menescal einspielte, kann man diese Reinform des Bossanova vortrefflich studieren, denn die Musik besteht aus nichts außer ihrem Gesang, seiner Gitarre und leisen Klavierakkorden.

Denn auch das ist Bossanova: die Fähigkeit zur äußersten Reduktion, wie sie etwa Gitarrist Baden Powell so unvergleichlich beherrschte, oder wie Altmeister Joao Gilberto sie vor wenigen Jahren auf seinem Album "Voz e violao" (Stimme und Gitarre) noch einmal vorführte. Leila Pinheiro verfügt genau über das Timbre, das eine Bossanova-Sängerin benötigt. Hell, klar und weich, dabei hoch konzentrentiert und hoch emotional im selben Moment, verbunden mit dem brasilianischen Portugiesisch, einer Sprache, die an sich schon Musik ist.

Nimmt man Pinheiros Gesang, oder den ihres Vorbildes Astrud Gilberto, und vergleicht ihn mit den Jazz-Interpreten der parallel veröffentlichten Compilation "Blue Note plays Bossanova", dann wird deutlich, wie sehr die Jazz-Musiker sich mühen müssen, mit ihren Instrumenten eine Atmosphäre zu beschreiben, die an die gesanglichen Ausdrucksmöglichkeiten einer Leila Pinheiro heranreichen.

Während Kollegen wie Celso Fonseca oder Bebel Gilberto heute mit neuen Formen der Bossanova experimentieren, ihn dabei auch mit elektronischen Klängen und neuen Rhythmen vermischen, hat Leila Pinheiro sich also für die ursprüngliche Form des Bossanova entschieden. Gemeinsam tragen sie damit zum Facettenreichtum eines Stils bei, der auch nach 50 Jahren noch nichts von seiner Aktualität verloren hat.

© Michael Frost, 17.07.2008

 


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