Es
gibt Stimmen, die graben sich ins Gedächtnis, die greifen
nicht nur direkt ans Herz, sie versetzen unmittelbar an einen
ebenso realen und wie magischen Ort. So geht es mir, wenn
ich Niamh Parsons höre, eine irische Sängerin, die
mit ihrer warmen, leicht rauen und dunklen Stimme die irische
Landschaft in all ihrer Melancholie auf eine Weise beschwört,
die sich fern hält von allen modischen Crossover-Versuchen.
Niamh
Parsons singt in eigenen Arrangements traditionelle, irische
Balladen, Graham Dunne begleitet sie souverän und dezent
auf der Gitarre, er glänzt als Solist mit zwei Reels
und Jigs, in denen seine Gitarre ein ganzes irisches Ensemble
ersetzt, gelegentlich treten Akkordeon (Josehine Marsh) und
Harmonica (Mick Kinsella) dazu.
In
den meisten Liedern geht es um "sorrow and sadness, bitterness,
grief", um die Sehnsucht nach der verlorenen Heimat,
zum Beispiel nach der "Westcoast of Clare", ein
Lied, das Andy Irvine 1968 geschrieben hat und zuerst von
der irischen Folkgruppe Planxty eingespielt wurde.
Auch
das sorgfältig illustrierte und mit allen Liedtexten
versehene Begleitbuch dieser CD, die im Juni in Dublin vorgestellt
wurde, ist gelungen. Hier erzählt Niamh Parsons, wie
sie auf welche Lieder gestoßen wurde, wer ihr wann was
vorgesungen oder weitergegeben hat. So zeigt sie unprätentös,
wie sehr sie Teil einer musikalischen Tradition ist, die in
Irland noch immer von einer Generation zur nächsten weitergereicht
wird.
Ihre
Auswahl macht auch klar, dass Tradition nichts Museales ist,
sondern fortgeführt und erneuert wird: Da gibt es neben
"old classics" Lieder ihrer Songwriter-Kollegen,
zum Beispiel eins von Mark Knopfler ("Done with Bonaparte"
zu einer traditionellen Melodie) oder eins vom Englishman
Bill Caddick ("Syracuse"), der Niamh Parsons für
ihre Version noch eine Extra-Strophe geschenkt hat.
Niamh
Parsons, die in Dublin mit dem "Goilin Singers Club"
eine ganze Gruppe von professionellen Sängern und Sängerinnen
ausbildet, singt diese leisen, wehmütigen Lieder ohne
eine Spur von Kitsch, ohne jede Konzession an irgendeinen
Mainstream-Geschmack. Sie beherrscht jenen klassischen "irischen"
Stil, in dem die herzzerreissend traurige und meist schlichte
Melodie ornamental umspielt und eingekleidet wird, wodurch
die unendliche Melancholie etwas fremdes, exotisches erhält
und nur noch deutlicher hervortritt.
Ein
Lied dieser CD mit dem Titel "Hearts Desire" ist
schöner als das andere, mein Lieblingslied ist "Sweet
Inniscarra", von dem berichtet wird, dass es schon Niamhs
Großvater gesungen hat: