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Triphop trifft Bauchtanz


Kurztest: Wie beschreibt man arabische Musik? - Betörend, hypnotisch, lyrisch, elektrisierend, hochemotional, leidenschaftlich, opulent. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Zweite Frage: Wie beschreibt man Triphop und Electrobeat? - Betörend, hypnotisch, lyrisch, elektrisierend, hochemotional, leidenschaftlich, opulent. Kurzum, so die überraschende Erkenntnis: Es gibt keine Unterschiede. Das meinen jedenfalls die beiden französischen Soundtüftler Carlos Robles Arenas und P.J. Chabot aus Nantes - und sie haben Recht.

Was also liegt näher als die Verknüpfung dieser beiden nur scheinbar gegensätzlichen Musiktraditionen, die sich nicht durch ihre Wirkung, sondern lediglich durch die Wahl ihrer Stilmittel unterscheiden? Nach dem Ausstieg ihres Sängers JC aus ihrem gemeinsamen Projekt "Orange Blossom" vor nunmehr fünf Jahren machten sich Arenas und Chabot auf die Suche nach einer neuen Stimme - und stießen 2002 auf Leïla Bounous. Die Bretonin algerischer Herkunft vermag exakt das eingangs beschriebene Temperament in ihre Stimme zu legen. Ergänzt um Mathias Vaguenez, einen exzellenten Percussionisten, konnte die Arbeit beginnen.

Mit "Everything must change" liegt nun bereits das zweite Album von "Orange Blossom" vor, und es ist, als hätten Massive Attack und Natacha Atlas fusioniert, oder als sei Portishead in einem orientalischen Märchen wieder erwacht. Im Sound von "Orange Blossom" mischt sich alles, was dem angestrebten Ideal aus Tanz, Hypnose und Obsession entspricht: der flirrende Gesang einer großartigen Sängerin, dunkle, Mark und Bein durchdringende Bassloops, schneidende Beats und pulsierende Percussions, afrikanische und arabische Ryhthmen, Trance, Hiphop und Triphop, Orchestersound und Bauchtanz.

Eine 4.000 Jahre alte ägyptische Flöte (Arghoul), indische Tablas, ein Streichquintett, diverse Backgroundsänger und eine sechsköpfige Bläsersektion aus Trompete, Saxophon, Posaune und Tuba heizen den elektrisierenden Wettstreit zwischen Gesang, akustischen und digitalen Klängen immer neu an, und so verschmelzen die Instrumente zu einem prachtvollen Gemälde aus Tönen und Rhythmen, die sowohl in einem angesagten europäischen Club als auch einer nordafrikanischen Medina zu Hause sein könnten.

Es gibt keine Unterschiede in der Aussage der Kulturen, sondern lediglich in ihren Ausdrucksformen. Das sagt die Musik von "Orange Blossom" und kommt zu der ebenso banalen wie bestechenden Erkenntnis: "Everything must change". Wie aktuell dieser Bezug ist, erleben die Franzosen gerade im eigenen Land, angesichts der Unruhen in den Banlieus der Großstädte. Musik kann die sozialen Konflikte sicher nicht lösen. Aber sie kann einen Weg aufzeigen.

© Michael Frost, 27.11.2005


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