Nordische Sängerinnen erlebten wir in diesem Jahr bisher als poetische, nüchtern klare Interpretinnen mit natürlichem, kristallklarem Gesang: Emiliana Torrini, Ane Brun, Nina Kinert, Anna Ternheim. Katharina Nuttall bildet hier eine Ausnahme. Die Wahl-Stockholmerin hat nämlich offenkundig andere Vorbilder, und die klingen nach Radiohead, P.J. Harvey, Siouxsie & The Banshees - mithin wie eine Mischung aus Singer/Songwriter, Wave und Postrock.
Auch, dass sie als einzige Cover-Version ihres sonst komplett selbst geschriebenen Albums den New Order-Titel "Blue Monday" wählte, ist kein Zufall: Ihre stilstischen Elemente wurzeln in den 80er Jahren, der Zeit, in der die 1972 geborene Interpretin wohl ihre musikalische Sozialisation erlebte. Allerdings sticht gerade das Arrangement dieses Songs heraus: Sie nimmt dem Original seinen Rhythmus, verzichtet auf Drums und verwandelt den Song in eine waidwunde , zutiefst verletzte Anklage: "How does it feel // to treat me like you do ..."
Bei dem Versuch, Postrock und Elektronik zueinanderzubringen und dabei noch mit ihrer flehenden Stimme zu vereinen, schreckt sie auch vor breitwandigen Passagen nicht zurück. Pauke und Geige gehören dazu ebenso wie die Spur Melodramatik, die sich unter ihren Gesang mischt ("Shimmering lights") - seltsam berührend und aufwühlend - und unerwartet.
Diese Form der Theatralik sichert Katharina Nuttall einen hohen Wiedererkennungswert und ihrem Album eine Atmosphäre, die in der aktuellen Popmusik eine Ausnahme ist. "Cherry Flavour Substitute" ist eben kein Genre-Album, sondern eines, das mit verschiedenen Stilen spielt und dabei seine ganz eigene Erzählform findet, die sich auch in ihren Videoclips ausdrückt ("Staring at the sun").
(Videoclip: "Staring at the sun" / Quelle: youtube.de)
Mag sein, dass die dunkle Grundstimmung besonders gut in die Jahreszeit passt, womit Katharina Nuttall dann schließlich vielleicht doch ihre skandinavische Herkunft verraten würde, doch letztlich spielt das in ihrem Fall keine Rolle.
Nach diesem gelungenen Wurf darf man gespannt sein, wohin sie ihren Sound entwickeln wird. Denn angesichts der ausgesprägten Individualität von "Cherry Flavour Substitute" und ihrer breit gefächerten Erfahrung als Komponistin und Produzentin ist kaum davon auszugehen, dass Katharina Nuttall sich mit Stillstand zufrieden geben würde.