Das letzte Album, mit dem Noa von sich reden machte, liegt bereits sechs Jahre zurück. Mit "Now", im Herbst 2002 erschienen, präsentierte die israelische Sängerin sich als Pop-Musikerin von internationalem Format - mit einer bewussten Hinwendung zum Mainstream, auch wenn sie sich thematisch freilich weiterhin auch mit den politischen Vorgängen in ihrer Heimat auseinandersetzte.
Auf eine Zusammenarbeit mit dem "Solis Quartet" und ein leider wenig beachtetes interkulturelles Album-Projekt "Napoli - Tel Aviv" (2006) folgt nun jedoch ein neues, reguläres Album: "Genes & Jeans". Ein Wortspiel, das den Spagat Noas zwischen Herkunft und Orientierung auf den Punkt bringt. Doch im Unterschied zu "Now" entscheidet sie sich heute eher für ihre eigenen Wurzeln: Als jemenitische Jüdin wuchs sie in New York auf, zog jedoch als junge Erwachsene nach Israel.
Die Musik ihrer Großeltern bildet den Ausgangspunkt von "Genes & Jeans". Nach den New Yorker Jahren, in denen sie sich eher "mit Joni Mitchell und Paul Simon" beschäftigt hatte, galt ihre Auseinandersetzung nun den alten hebräischen und jemenitischen Texten über "Liebe und Verlangen, unerfüllte Träume, Entbehrung, Hitze, Staub und Wind." Gemeinsam mit ihrem Langzeit-Partner Gil Dor schrieb sie auf der Grundlage der traditionellen Vorlagen neue Musik und englische Übersetzungen, und - so Noa in den Linernotes zum Album, "und umhüllte mit ihnen die alten Lieder wie mit einem langem Mantel im Winter" - mit einem Mantel aus leisen Balladen, Akustikpop, Singer/Songwriter-Folk, in dem die zarten Elemente jemenitisch / hebräischer Tradition gut aufgehoben sind.
Tatsächlich klingt "Genes & Jeans" streckenweise so, wie ein historisches Gebäude aussieht, von dem nur noch ein Teil der Originalfassade erhalten ist, die von behutsamen Restauratoren in einen respektvollen Neubau integriert wurde. Noa, Gil Dor und ihre Musiker haben mit dieser vorsichtigen, respektvollen und dennoch zeitgemäßen Vorgehensweise ein nachdenkliches, bisweilen meditatives Album geschaffen, das ihr Publikum ungleich tiefer und nachhaltiger bewegen dürfte als ihre bisherige Arbeit.
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Michael Frost, 15.11.2008