Ändert
das neue Nickelback-Album "Silver Side Up" etwas daran,
daß sich die Musikszene nach dem Ableben von Kurt Cobain, den
leiser werdenden Pearl Jam und den fast völlig schweigsamen Alice
In Chains von Grunge abwandte? Nicht wirklich, aber manchmal kommt
etwas Besseres nach.
Grunge
hat schon lange nicht mehr den Erfolg und die Medienpräsenz,
die man ihm Anfang der Neunziger angedeihen ließ. Nach der Ablösung
durch den Crossover der harten Jungs und das boomende NuMetal-Geplärre
schrumpfte die Fan-Gemeinde auf einen im Untergrund agierenden kleinen
Kreis, durch den jetzt ein euphorischer Aufschrei gehen dürfte.
Nickelback
sind nämlich die Reinkarnation von Nirvanas Musik und Soundgardens
Äußerem. Mit ihrem früher in diesem Jahr veröffentlichten
Debütalbum "The State" ließen sie ein totgeglaubtes
Genre fulminant auferstehen: Ein langhaariger Kerl sang melodiöse,
aber nicht wenig brachiale, morbide und apokalyptische Songs. Dazu
gab es eine Menge pure Gitarren, harte Drums und sämtliches Zubehör,
das eine schnörkellose Rockband ausmacht.
Mit
"Silver Side Up" präsentieren die Kanadier nun den
Nachfolger und ersticken jeden Zweifel in Sachen Eintagsfliege im
Keim. Bereits die vorab ausgekoppelte Single "How You Remind
Me" beweist eindeutig Ohrwurmcharakter. Ein einfach gestricktes
Konzept ermöglicht schon nach einmaligem Hören derart fundierte
Textkenntnisse, daß ein beherztes Mitgrölen des Refrains
kein Problem mehr darstellt. Hinzu kommt eine durchaus eingängige
Melodieführung, die nicht nur Auf- und Abspringen im Takt ermöglicht,
sondern sich ebenfalls zum Summen in der Straßenbahn oder Badewanne
eignet.
Auch
alle weiteren neun Nummern des neuen Nickelback-Albums sind schlicht
als großartiges Rockwerk zu bezeichnen, das über einen
latenten Suchtfaktor verfügt. Zugegeben, eine Zeit lang war es
ja beeindruckend, wie Limp-Bizkit-Frontmann Fred Durst durch die Gegend
sprang und Raps ins Mikro und den Hörern entgegen schleuderte
oder Newcomer wie Linkin Park und die Chili-Eleven Crazy Town Serienhits
für die Charts produzierten. Inzwischen ist das neue harte Genre
jedoch mit schlechten Kopien überlastet, und es wurde eindeutig
Zeit für eine Rückbesinnung auf die wahren Werte.
Nickelback
schaffen es auf beeindruckende Weise, Grunge geschickt in der heutigen
Zeit zu plazieren, ohne ihn aufgewärmt klingen zu lassen. Moderne
Hard-Pop-Elemente mischen sich kaum merklich unter die klassischen
Genre-Attitüden; digitalen Schnickschack, elektronische Samples
und pseudo-coole HipHop-Beats sucht man glücklicherweise vergebens.
"Nickelback:
Silver side up" ist eine Gast-Kritik
von Inga Stumpf / Januar 2002
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