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Soul im
allerbesten Sinne


Sie ist die Tochter eines Dirigenten und einer klassischen Sängerin. Sie debütierte mit 23 Jahren bei einem Konzert mit dem Korean Symphony Orchestra. In Korea entwickelte sie sich zur preisgekrönten Musical-Interpretin – so etwa mit der koreanischen Version des schrägen Berlin-Musicals „Linie 1“.

Weil ihr die Musicalwelt zu flach war, verabschiedete sie sich von Korea. 1995 ging sie nach Paris, um eine der ältesten Jazz-Schulen Europas (das CIM) zu besuchen. Sie lernte schnell die renommierten Musiker der Szene kennen, spielte seit 2001 mehrere Alben ein, tourte durch Europa und Asien, einschließlich ihrer koreanischen Heimat, wo sie 2004 als „Best Artist“ in der Kategorie Crossover ausgezeichnet wurde.

Jetzt hat das Münchner Label ACT diese außergewöhnliche Sängerin unter Vertrag genommen: Youn Sun Nah nennt ihr erstes ACT-Album „Yoyage“, Produzent und Mitmusiker ist der dänische Bassist Lars Danielsson, der den 12 Titeln nicht nur einen coolen, nordischen Touch gibt, sondern vor allem für minimalistische, extrem transparente Arrangements sorgt.

So wird Youn Sun Nah häufig nur von einem Instrument virtuos begleitet – Gitarre (Ulf Wakenius), Trompete (Mathias Eick), Percussion (Xavier Desandre-Navarre) -, was ihre Stimme vollends in den Mittelpunkt rückt.

Youn Sun Nah gehört nicht zu den zahlreichen „Fräuleinwundern“, die innerhalb der letzten Jahre die Jazz-Szene aufgemischt haben, aber manchmal mehr vom hübsch erotischen Ton lebten als von der Qualität des Gesangs. Hier tritt eine Sängerin auf den Plan, die durch Professionalität, durch Strahlkraft und frappierenden Nuancenreichtum besticht und die dabei zugleich Wärme, Emotionalität, Seele, eben Soul im allerbesten Sinne ausstrahlt.

Diese fast 40-jährige ist eine große Könnerin, ihre Stimme hat Glanz, Weite und Tiefe, ihr Schönklang ist nicht zu trennen von der umwerfenden Genauigkeit und Leichtigkeit, mit der sie Helligkeitsstufen erklimmt oder die Farben eindunkelt, mit der sie berührend intim singt (etwa den amerikanischen Folksong „Shenandoah“) oder lässig swingend („Please, don´t be sad“), wie es nicht einmal Diana Krall könnte. Mit dem Uptempo-Klassiker „Frevo“ von Egberto Gismonti zeigt sie die unglaubliche Beweglichkeit, die bis in die höchsten Lagen kraftvoll und schwebend bleibt.

Mit sechs Liedern des Albums stellt sie sich als ernstzunehmende Komponistin vor, die sich vor den Klassikern ihres Repertoires nicht verstecken muss. Dazu gehören Nat King Cole („Calypso Blues“) und Tom Waits. Dessen verräuchertes „Jockey Full of Bourbon“ wird bei Youn Sun Nah keineswegs zur Niedlichkeitsnummer verharmlost, der Song klingt nicht weniger lässig und entspannt als im Original, aber seine Wärme drückt die Sängerin auf ihre ganz andere, nicht weniger emotionale Weise aus.

Zu den Höhepunkten des Albums gehören die letzten beiden Nummern: Die Eigenkomposition „Inner Prayer“ ist ein Gebet in Liedform, eine leise, langsame Beschwörung, von Trompete, Gitarre, Percussion und Bass wunderbar sparsam begleitet, und der französische Chanson „India Song“ (von Marguerite Duras getextet) war seit langer Zeit nicht mehr so schön zu hören wie von Youn Sun Nah.

© Hans Happel, 13.06.2009


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