Was für die „CDU“ die „Stones“, dass sind „Muse“ für die Piraten. Nicht das softe „Angie“, sondern das rebellische „Uprising“ dröhnt bei den politischen Freibeutern, die so gerne den Bundestag entern möchten, aber sich bislang noch in der Zone der Splitterparteien tummeln, aus den Boxen. „The Resistance“ heißt das neue Werk, auf dem auch die Hymne der „Piraten“ zu hören ist.
Der Themenkomplex „Kontrolle und Widerstand in unserer modernen Gesellschaft“, aus dem die „Piratenpartei“ ihre Daseinsberechtigung zieht, nährt die gehaltvolle Lyrik der englischen Band. Frontmann Matt Bellamy beschwört ein vereintes Europa, das sich gegen seine politischen Führer zur Wehr setzt („United States Of Eurasia“), zitiert in dem Stück„Resistance“ treffend die Gedankenpolizei aus George Orwells 1984. Doch Bellamy gibt sich kämpferisch: „They will not control us – we will be victorious!“ ruft er in „Uprising“ der herrschenden Klasse entgegen, während vor dem geistigen Auge des Zuhörers eine revolutionäre Szenerie entsteht. Seine Hoffnung, dass sich in unserer digitalisierten und immer mehr überwachten Welt etwas ändern könnte, speist sich aus der Kraft der Liebe: „Love is our resistance“ hallt es im Falsett durch die Boxen.
Doch die Band gibt sich nicht nur lyrisch visionär, sondern auch musikalisch. Was Matt Bellamy (Gesang, Gitarre und Piano), Dominic Howard (Schlagzeug) und Christopher Wolstenholme (Bass) auftischen, ist großes Kino für die Ohren. Die Kombination aus R’n’B-Beats, wie man sie von Künstlern wie Rihanna her kennt, und Stakkato-Geigen, mag so manchen erschaudern („Undisclosed Desires“), doch die anderen Songs sind ohne Fehl und Tadel, bestechen durch ihre Vielfalt und die Anmut, mit der die unterschiedlichsten Stile unter einen Hut gebracht werden.
Für musikalische Spannung ist somit reichlich gesorgt: Orientalische Harmonien, Chöre, die aus „Queen’s“ „Bohemian Rhapsody“ stammen könnten, und ein Walzer fügen sich in dem opulenten Song „United States Of Euphoria“ zu einem harmonischen Ganzen. In dem fröhlich-spritzigen Poprocksong „I Belong To You“ wagt der Klassikfreund Bellamy sogar das Kunstück mit kraftvollem Timbre aus einer Oper von Camille Saint-Saens zu zitieren („Samson et Dalila“), um am Schluss den Refrain noch einmal mit markanten Bass-Klarinetten anzustimmen.
Was folgt ist einer der atmosphärisch dichtesten Songs des Albums, das weltweit an die Spitze der Hitparaden stürmte: Zum melodramatischen Spiel eines klassischen Orchesters schwingt sich der Falsettgesang Bellamys, begleitet von verzerrten Gitarren, schmerzerfüllt und wehklagend in immer neue Höhen. „Symphony Part I“ heißt der Song, der die Overtüre zu einer kleinen Klassikrocksymphonie bildet.
„The Resistance“ ist das bislang gewagteste Album der englischen Band. Das kreative Husarenstück hat sich für die Gruppe jedoch mehr als gelohnt und wird ihren exzellenten Ruf als musikalische Feingeister international noch mehr festigen.
"The resistance" Muse
ist ein Gast-Beitrag von Stephan Stöckel.
© Stephan Stöckel, November 2009