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Gerade erst erfunden


Es klingt unglaublich, ist aber verbürgt: Marc Moulin gründete 1961 sein erstes Trio. Und heute, immerhin stolze 46 Jahre später, klingt sein neues Album "I am you" wie das Debüt eines jungen Wilden der europäischen Electrojazz-Szene.

Erst bei genauerem Hinhören spürt man die ganze Komplexität der Kompositionen und die Raffinesse der Arrangements. Souverän agiert der Belgier nämlich im Grenzbereich von Cool Jazz und Electro, Lounge und Dub. In allen musikalischen Lagern dürfte "I am you" dank der Innovationsfreude Moulins begeistert aufgenommen werden, denn bei aller Harmonie und Eingängigkeit gibt es keinen Moment des musikalischen Stillstands.

Die Musiker, vor allem die famos agierenden Bläser - Fabrice Alleman (sax) und Bert Joris (tr) - bauen immer wieder irritierende Momente ein, geben dem Sound Kontrast und Schärfe, während die in sechs Stücken zu hörende samtweiche Stimme von Christa Jérôme ungeahntes Wohlgefühl verbreitet. "Music is my husband, but rhythm is my lover" singt sie im gleichnamigen Song, begleitet unter anderem von Jazz-Gitarrist Philipe Katherine, und Moulin zieht alle Register, um mit groovendem Beat, druckvollem Tempo und seinen exquisiten Musikern den Beweis anzutreten, dass die besungene Dreiecksbeziehung nicht bloß funktioniert, sondern die Kreativität ungemein beflügelt.

Das alles klingt, um die Energie des Albums nochmals zu unterstreichen, als sei es gerade erst erfunden worden. Man kann nur ahnen, wie viel Erfahrung und Lebenszeit notwendig ist, um so punktgenau spontan, jugendlich, cool und frisch zu wirken. "Alt", lautet ein gern zitierter Satz des Schweizer Autoren John Knittel, "ist man dann, wenn man an der Vergangenheit mehr Freude hat als an der Zukunft." In der Wahrheit dieses Sinnspruchs liegt vermutlich der Schlüssel zu diesem Album.

© Michael Frost, 01.02.2007

 

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