Es ist wohl eher ungewöhnlich, wenn der erste Gedanke beim Öffnen einer CD der Frage gilt, wie es wohl gelungen sein konnte, die Plattenfirma von der Finanzierung einer solch opulenten Aufmachung zu überzeugen. Denn "Bob an Veronica ride again" liegt ein 110-seitiges Buch bei, in dem die Geschichte der beiden Album-Protagonisten in staccato-artigem Prosastil erzählt wird. So viel Booklet war nie.
Die Lösung des Rätsels weist der darbenden Musikindustrie mehrere originelle und neue Wege. Zunächst: Morton Valence präsentiert ihr Album als multimediales Gesamtkunstwerk und entzieht es dadurch der Generation Download - legal oder illegal. Und zur Finanzierung von Aufnahme und Vermarktung wurden Anteile an Fans verkauft. Morton Valence ist nunmehr eine Genossenschaft, die den Fans der Band gehört. Eine mehr als kuriose Idee, aber eine, die sich zumindest künstlerisch ausgezahlt hat:
Denn "Bob and Veronica ride again" ist ein wunderbares Album, bei dem die Musik in Sachen Originalität und Opulenz seiner Aufmachung in nichts nachsteht. Anne Gilpin und Robert Hacker Jesset, die ihre Band nach einem gleichnamigen Ort im englischen Glocestershire "mit drei Haufen Häusern und 40.000 Schafen" benannten, haben den erzählenden Stil ihres Bei-Buchs auf die Musik übertragen. Dabei verweist nicht nur das Cover (übrigens ein Gemälde) auf Bonnie & Clyde, sondern auch die Musik changiert im Umfeld von Charme, Banditentum und 60er-Jahre-Ästhetik mit einem Spannungsbogen, der dem erzählerischen Grundbaukasten von Humor, Romantik und Dramatik folgt.
Musikalisch liegt das Duo damit im Fahrwasser von Serge Gainsbourg und jüngst auch Olivier Libaux (Nouvelle Vague) mit seinem Seitenprojekt "Imbécile", das sich ebenfalls als eine Art "Singspiel" mit Gästen präsentierte. Anne Gilpin und Robert Hacker Jessett schlüpfen hier in die Rollen ihrer Protagonisten wie vor einigen Jahren "Lady & Bird" (Keren Ann und Bardi Johannsson).
Dass "Bob and Veronica ride again" aus dreizehn Songs besteht, gerät zur Nebensache: Eher sind es Kapitel, und als solche funktioniert das eine nicht ohne das andere, selbst wenn die Muster von Abschnitt zu Abschnitt durchaus unterschiedlich sein können: Pop, Postrock, Electronica, fröhliche Duett-Passagen, Jazz und Indie-Folk treffen aufeinander, manchmal very british, bisweilen très français - und immer ein Hochgenuss.
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Michael Frost, 24.10.2009