Der
ausgebildete Jazz-Musiker Jun Miyake ist zwar keineswegs ein Debütant
auf dem internationalen Musikparkett, doch international machte er
bisher in der Hauptsache durch Kompositionen für diverse Werbespots
u.a. für Sony, Mercedes und Coca Cola auf sich aufmerksam. Für
diese Arbeiten erhielt er zahlreiche Preise, und seine immerhin zwölf
Jazz-Alben machten ihn in Japan, aber auch darüber hinaus, zu
einem der wichtigsten Vertreter der Jazz-Szene von Tokyo.
Werbespot-geeignet
sind auch die Titel auf "Mondo Erotica", seinem aktuellen
Album, das Sounds aus allen Himmelsrichtungen zusammenbringt. Die
meisten Lieder bestehen aus ineinander verschachtelten Einzelelementen
und Klangsequenzen aus extrem unterschiedlichen Richtungen. "Flesh
for Eve" etwa beginnt mit knabenhaftem Falsettgesang, der mit
Flamencoelementen unterlegt wurde, die aus Joaquín Rodrigos
"Guitarra de Aranjuez" stammen könnten, außerdem
hört man Harfen, dramatische Streicher-Einlagen und schließlich
gregorianischen Chorgesang. "Jelly" dagegen entwickelt sich
vom sinnlich dahingehauchten Liebesakt zu groovendem Bar-Jazz, um
schließlich in einem veritablen Samba-Sound aufzugehen, bis
sich nahtlos das sehr fern und sehr östlich anmutende Flügelhorn-Intro
zu "Elfin" anschließt und wiederum ganz andere Gefühle
evoziert.
Andere
Lieder sind, was die Herkunft von Rhythmus und Arrangement angeht,
eindeutiger: "Sus-pecte" zum Beispiel, ein gesungener Zungenkuss
im Stile eines französischen Chansons, wie die meisten anderen
Titel tatsächlich auch auf Französisch gesungen. Denkt man
etwa an die Trash-Pop-Band Pizzicato Five und ihre Hommage "Paris
mon amour", scheint es fast lohnenswert, die Faszination, die
Frankreich offensichtlich auf japanische Musiker ausübt, einmal
genauer zu betrachten. Die Anziehungskraft der französischen
Sprache hat dabei sicherlich viel mit der ihr nachgesagten Erotik
zu tun - und Erotik ist Jun Miyakes beherrschendes Thema.
Jun
Miayake, der auf "Mondo Erotica" Trompete, Flügelhorn
und Fender Rhodes spielt und die Computer bedient, hat mit seinem
Album eine sehr eigenwillige, bizarre und verführerische Klangwelt
erschaffen, in Musik umgesetzte erotische Phantasien, sanft, begehrend,
spielerisch, deren französische Elemente gelegentlich an Guesch
Patti und Les Rita Mitsouko erinnern, letztlich aber immer eigene
Wege gehen.
Stilistisch
lässt er sich, wie anhand "Eve's flesh" beispielhaft
dargelegt, nicht festlegen. Sein Album ist ein Experiment, eine Installation
aus Klängen, die eine symbiotische Beziehung eingehen, obwohl
sie bei oberflächlichem Hinhören kaum zueinander passen,
und doch gelingt es ihm, zwischen unterschiedlichsten Instrumenten,
dem Gesang und der Sprache selbst eine Art erotische Beziehung entstehen
zu lassen, die dem Album genau die spannungsgeladene und prickelnde
Atmosphäre verleiht, die sich auch in den Texten ausdrückt.
Michael
Frost, 10. November 2001