"Ich
kokettiere nicht mit dem Gedanken an Beständigkeit", sagte
Joni Mitchell vor mehr als zehn Jahren, in maßloser Untertreibung
der Bedeutung ihres Werks. Die gebürtige Kanadierin, die ihre Karriere
bereits in den 1960er Jahren begann, gehört wohl zu den bedeutendsten
Musikerinnen überhaupt. Das Woodstock-Festival verpasste sie 1969
noch, weil die Zufahrtsstraßen verstopft waren, doch seither zieht
sich ihre Arbeit wie ein roter Faden durch die Musik der letzten Jahrzehnte:
Folk, Rock, Blues, Jazz.
Und
so wie sie noch vor einigen Jahren gemeinsam mit dem Londoner Symphony
Orchestra, Herbie Hancock (p) und Wayne Shorter (sax) einige Songs
ihrer großen Vorbilder neu aufnahm ("Both sides now",
2000), darunter Ella Fitzgerald, Dinah Washington und Billie Holiday,
so zollen der streitbaren Joni Mitchell heute selbst einige illustre
Kollegen ihrerseits Tribut: Cassandra Wilson, Emmylou Harris, Elvis
Costello, K.D. Lang, James Taylor, Björk, Prince, Caetano Veloso
und Sarah McLachlan, allesamt selber Ausnahmekünstler. Als Vertreter
der ganz jungen Songwriter-Generation darf Sufjan Stevens das Tribute-Album
eröffnen ("Free man in Paris"), während der überraschendste
- weil instrumentale - Beitrag von dem gefeierten Jazz-Pianisten Brad
Mehldau ("Don't interrupt the sorrow") beigesteuert wird.
Nicht
alle Adaptionen sind neu bzw. im Zusammenhang mit der anstehenden
Veröffentlichung entstanden. Annie Lennox beispielsweise nahm
ihre wunderschöne Fassung von "Ladies of the canyon"
bereits vor mehr als zehn Jahren als B-Seite auf, Prince veröffentlichte
"A case of you" 2003 im Rahmen seines Tourprogramms "One
night alone".
Nun
mag man vortrefflich darüber streiten, inwieweit die Tribut-Fassungen
gelungen seien - prinzipiell kann man dabei alles nur falsch machen.
Lehnen sich die Künstler zu eng an die Originale an, attestiert
man ihnen fehlende Fantasie, drücken sie ihnen zu sehr den eigenen
Stempel auf, fehlt es ihnen an Einfühlung mit dem Original. Doch
die hier Beteiligten wären nicht die Ausnahmemusiker, als die
sie gelten, wenn es ihnen nicht gelänge, in ihren Adaptionen
deutlich zu machen, wie groß der Einfluss von Joni Mitchell
auf ihre eigene Entwicklung war und ist. Einen Vergleich zwischen
Original und Cover ermöglicht übrigens die informative Website
zur CD-Veröffentlichung, auf der man sämtliche Songs in
beiden Fassungen anhören kann.
Dort
erfährt man auch etwa von Björk, dass sie Joni Mitchell
neben Kate Bush für die einzige weibliche Musikerin hält,
der es gelungen sei, in der "von Männern dominierten Musikwelt
ein weibliches Universum aus Intuition, Weisheit, Intelligenz, Handwerk
und Mut" etablieren konnte. Annie Lennox bezweifelt sogar, selbst
Sängerin geworden zu sein, wenn sie Joni Mitchell nicht als Vorbild
gehabt hätte.
Vielleicht
wirkt die Hommage besänftigend. Denn Joni Mitchell hat sich schon
häufiger für längere Zeit angewidert aus dem Musikgeschäft
zurückgezogen, zuletzt 2000, verbunden mit diesen hellsichtigen
Worten: "Kannst du es ertragen, dir eine dieser Preisverleihungen
anzuschauen? Wo sind die Erwachsenen? Wo ist die Qualität? Nichts
als nölende, quietschende Kleinkinder, und alle sind überzeugt,
sie seien das Größte, was die Schöpfung jemals hervorgebracht
habe."
©
Michael Frost, 06.05.2007
Zitate: Poplexikon, Rowohlt Verlag