Wie beschreibt man das Unaussprechliche? Wie singt man über das Grauen? Mit welchem Ton, welcher Melodie, welchem Rhythmus gelingt es, das Unfassbare fassbar zu machen? - Es ist keine Kleinigkeit, die Mounira Mitchala sich vorgenommen hat. Die 28-jährige Sängerin aus dem Tschad lässt auf ihrem Album "Talou lena" kein noch so konfliktträchtiges Thema aus. Nahezu jeder Song scheint geeignet, wichtige gesellschaftliche Debatten zu entfachen: Die Zwangsverheiratung junger Frauen ("Annil", "Koulnodjl"), Bürgerkriege ("Talou lena"), die Ausdehnung der Wüsten ("Al Sahara"), und - als beschwörende Anklage - "Darfour". In der Grenzregion des Sudan herrscht seit Jahren ein blutiger Bürgerkrieg, in dessen Verlauf über 400.000 Menschen starben, zumeist Zivilisten - unter ihnen wiederum vor allem Frauen und Kinder.
Mounira Mitchala nähert sich diesem Thema überraschend nicht in Form eines klagenden Trauergesangs, sondern mit einem betont temperamentvollen, um nicht zu sagen: lebendigen Tanzrhythmus. Sie setzt mit ihrem beschwörenden Friedensappell einen bewussten Kontrapunkt zu Massenvergewaltigung und Völkermord, und letztlich auch zu der beschämenden, ohnmächtigen Zuschauerrolle, welche die internationale Gemeinschaft in diesem Konflikt eingenommen hat.
Andererseits verkörpert Mounira Mitchalas engagierte Musik jedoch ein junges, selbstbewusstes Afrika. Sie beschwört die Einheit des Kontinents, sie verweist auf seine stolzen Wurzeln ("Tourapna"), Schönheit und Vielfalt der Landschaft ("Hadjilidjai", "Darna", und immer wieder wendet sie sich direkt an ihr Publikum. Es solle sich gegen Hunger, Dürre und Krieg auflehnen, ethnische und religiöse Unterschiede akzeptieren.
Für ihr eindringliches Album wurde Mounira Mitchala bereits 2007 von Radio France Internationale mit dem "Découvertes"-Preis als Neuentdeckung des Jahres ausgezeichnet. Die Jury, der übrigens mit Salif Keita einer der berühmtesten Musiker Afrikas vorsaß, lobte ihr natürliches Charisma. Dem ist an dieser Stelle nichts hinzuzufügen, außer: Die Lebensfreude, mit der sie auf ihrem Album selbst schwierigste Themen bewältigt, hinterlässt einen tiefen Eindruck.
© Michael Frost, 19. Oktober 2008