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An der Schnittstelle
von Rock und Chanson


Wenn man nach den wichtigsten Personen der aktuellen französischen Szene fragt, ist Benjamin Biolay in aller Munde. Doch es gibt einige Musiker, die weit länger im Geschäft sind und schon deshalb der "Nouvelle Scène" nur bedingt zugeordnet werden können. Als Wegbereiter darf man sie dagegen guten Gewissens bezeichnen: Dominique A., der zu Beginn der 90er mit minimalistischen Arrangements das Elektro-Chanson begründete, oder Christophe Miossec, der sich ebenso lang - ganz in der Tradition von Gainsbourg, Alain Bashung und anderen berühmten Kollegen - an der Schnittstelle zwischen Rock und Chanson bewegt.

Während eines gemeinsamen Abendessens, so Christophe Miossec, habe ihm Dominique A. erzählt, er wolle sein neues Album "Tout sera comme avant" im Februar 2004 veröffentlichen. "1964", die neue CD von Miossec, sollte eigentlich vorher erscheinen, doch aufgrund nötiger Nacharbeiten im Studio ergab es sich, dass beide Alben parallel in den Handel kamen - und zur Überraschung beider erstaunlich viele Parallelen erhielten. Und das, obwohl sich beide weit von ihren früheren musikalischen Konzepten entfernt hatten.

Denn sowohl bei Dominique A. als auch bei Christophe Miossec fehlt von den zurückgenommenen, sparsamen Arrangements und Instrumenteneinsätzen früherer Alben jede Spur. Im Gegenteil: Beide beschäftigten ganze Orchester mit Streichern und Bläsern, die wenigstens einen Teil ihrer Alben opulent untermalen.

Miossec seinerseits bleibt jedoch der Idee, Pop/Rock und Chanson zusammenzuführen, treu. Deshalb ist "1964" (nach seinem Geburtsjahr benannt) ein vielschichtiges Album, dessen überraschende und originelle Arrangements immer wieder neue Hörperspektiven eröffnen.

Was Miossec über Alain Bashung, eines seiner Vorbilder sagt, gilt in besonderer Weise auch für ihn selbst: "Bashung beweist, dass du französisches Chanson machen kannst, ohne dem billigen, oberflächlichem Mainstream zu verfallen."

Das Abdriften in seichte Gewässer verhindern allerdings auch die Texte, die mal ironisch, mal provokant, mal alltagsweise ("Wenn die Zigarette schlecht angezündet ist, ist das die Schuld des Feuerzeugs?") daherkommen. Miossec betrachtet die Welt mit augenzwinkernder Distanz, aber voller Verständnis für eigene Schwächen und die seiner Mitmenschen. All das vermittelt er in Wort und Ton mit einer Gelassenheit, die eine Wohltat ist - man darf sich zurücklehen und mit ihm genießen.

© Michael Frost, 04. August 2004


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