Trotz
einer erkennbaren Frankreich-Welle, die über die Grenze nach Deutschland
schwappt, gibt es noch immer (hierzulande) unentdeckte Perlen aktueller
Musik unserer Nachbarn. Jérôme Minière ist eine
solche Perle, wenn auch streng genommen nur noch bedingt eine französische,
denn der in Orleans geborene Minière lebt inzwischen in Kanada.
Dort
nahm er auch "Petit Cosmonaute" auf, das Album, das nun
von den Machern des jungen "Le Pop"-Labels in Deutschland
vorgestellt wird. Zu hören ist darauf ein junger, schüchtern
wirkender Musiker auf einer Gratwanderung zwischen existenzialistischen
Chansons, elektronischer Soundfrickelei und minimalistischem Habitus.
Keine Frage: die Lieder von Jérôme Minière leben
vor allem durch die Atmosphäre, in der in ihnen schafft, und
durch die Geschichten, die er erzählt.
Minière
ist ein Beobachter, der seine Umgebung teils einfühlsam, teils
mit leisem Sarkasmus, kommentiert. Er berichtet von Menschen wie "Paul",
der es gewohnt war, alle Mühsal auf seinen (zu schmalen) Schultern
zu tragen, von dem Vergesslichen, dem nach dem gelegentlichen Verlust
von Regenschirmen, Brieftaschen und Freundinnen eines Sommerabends
auch noch ein Zahn verloren ging ("Perdre une dent un soir d'été")
und von den Einsamen, die ihren Partner auf Reisen suchen - anstatt
zuhause in der eigenen Straße ("En attendant Vegas").
"Man
weiß nie, ob man der Traum oder der Albtraum des Anderen ist",
singt er in "La logique des choses", und diese Art der Nachdenklichkeit
ist der rote Faden des Albums, in dem Minière offenkundig die
Standortbestimmung eines jungen Erwachsenen vollzieht - Rückbesinnung,
Ausblick und Suche gleichermaßen. So entpuppt sich auch der
"Titelheld" des Albums, der "Petit Cosmonaute",
nicht etwa als tollkühner Raumfahrer, sondern als Embryo in den
unendlichen Weiten der Gebärmutter, auf den bereits existenzielle
Fragen warten: "Ich habe mir vorgestellt, wie du mir eines Tages
die Frage stellen wirst: 'Warum soll ich in dieses Leben eintreten
und es eines Tages wieder verlassen?"
Die
Antwort bleibt auch Minière zwangsläufig schuldig.
©
Michael Frost, 03. April 2004