Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Späte Romantiker
von Hans Happel


Erstaunlich ist, dass sie nicht schon früher darauf gekommen sind, sich zusammen zu tun - oder ist es vielleicht gerade die musikalische Nähe, die sie bisher davon abgehalten hat? Pat Metheny und Brad Mehldau nennen ihr jetzt erschienenes Duo-Album schlicht "Metheny Mehldau", als wäre der Doppelname eine Marke, mit der sie ihre Musik stempeln können.

Dabei sind sie durchaus ein Wagnis eingegangen, denn man darf fragen, wie sich zwei so nahe Fixsterne der zeitgenössischen Jazz-Musik miteinander vertragen würden. Beide verbindet ihre jeweils einzigartige Virtuosität, beide verbindet darüber hinaus die Liebe zum Wohlklang, zu einem leisen und singenden Jazz, zu eleganten Improvisationen, die bei Metheny mit sprühender Unbekümmertheit daherkommen, bei Mehldau geerdet sind an die Kenntnis der klassischen europäischen Klaviermusik des 19. Jahrhunderts.

Mit einem Wort: Beide sind späte Romantiker ihrer Zunft, und ob sie sich gemeinsam vertragen und etwas zu sagen haben würden, wird wohl jeder Fan des einen oder des anderen Musikers gefragt haben. Wie sehr sie sich - seit langem - schätzen, geht aus dem Presseinfo hervor, in dem Mehldau mit den Worten zitiert wird, die Chance, mit Pat Metheny Musik zu machen, sei "nicht weniger als ein wahr gewordener Traum".

Er ergänzt: "Pat ist einer der Musiker, die mich dazu gebracht haben, schon als junger Mensch Jazz spielen zu wollen. Ich kehre immer wieder zu seinen Aufnahmen zurück - wegen der schieren Freude, die ich am Zuhören habe." Den 10 Songs, die das Duo aufgenommen und komponiert hat, ist diese Freude eingeschrieben. Das geht so weit, dass kaum zu unterscheiden ist, von wem welches Stück stammt, - sieben sind von Metheny, drei hat Mehldau beigesteuert -, denn beide scheinen geradezu miteinander verschmelzen zu wollen, so eng und dicht sind die musikalischen Linien gestrickt.

Vor allem in den letzten Nummern, denn anfangs legen beide Musiker großen Wert zumindest auf einen Klang-Unterschied, der zunächst gewöhnungsbedürftig ist: Die E-Gitarre und das (akustische) Klavier eröffnen den Reigen mit einem langsamen, im Charakter elegischen und sehr gefühlvollen Song, mit dem die beiden Meister sich auch als einzelne vorstellen: der Ältere beginnt mit dem Thema, während der Jüngere ihn vorsichtig - im typischen, äußerst eleganten Mehldau-Stil - begleitet.

Die langen Melodiebögen des Gitarristen und die komplexen Akkordstaffelungen des Pianisten, das sind Markenzeichen der beiden Musiker, die in den folgenden Stücken immer enger miteinander kommunizieren, die in ihren Improvisationen auch immer lockerer zu werden scheinen, bis Mehldau in einer der letzten Songs das Klavier so lässig traktiert, als wolle er Methenys Gitarrenläufe imitieren, während der umgekehrt sich ganz auf die Stimmungen des Pianos einlässt.

Beide beflügeln und bestärken sich - nicht nur in ihrer Virtuosität, sondern im genauen Spiel mit Schwingungen und Klangfarben, die hier stets etwas Schwebendes bewahren. Darin setzt sich Metheny gegen den häufig eher strengen und in seiner Melancholie düsteren Tonfall Mehldaus durch, dessen langjährige Trio-Partner Larry Grenadier (Bass) und Jeff Ballard (Drums) in zwei Stücken mitwirken und dem Charakter des Albums kräftige und kühlere Farben beimischen.

Metheny und Mehldau steigern sich kontinuierlich, so als hätten sie die 10 Kompositionen in der vorgestellten Reihenfolge aufgenommen. Höhepunkte sind die letzten Aufnahmen, in denen die sprühende Spielfreude sich mit äußerster Sensibilität paart, in denen die beiden Musiker sich so souverän die Themen zuwerfen, dass ihnen anzuhören ist: hier begegnen sich zwei Gleichrangige, zwei Seelenverwandte, zwei Brüder im Geiste einer musikalischen Idee, denen es nicht darum geht, ihr Können in den Vordergrund zu spielen, sondern einzig darum, die Musik zum Fließen zu bringen, die mit einem betörend schönen Song aus- und lange nachklingt.

© Hans Happel, 22. September 2006

 

Weitere Beiträge von Hans Happel


[Archiv] [Up]