Erstaunlich
ist, dass sie nicht schon früher darauf gekommen sind,
sich zusammen zu tun - oder ist es vielleicht gerade die musikalische
Nähe, die sie bisher davon abgehalten hat? Pat Metheny
und Brad Mehldau nennen ihr jetzt erschienenes Duo-Album schlicht
"Metheny Mehldau", als wäre der Doppelname
eine Marke, mit der sie ihre Musik stempeln können.
Dabei
sind sie durchaus ein Wagnis eingegangen, denn man darf fragen,
wie sich zwei so nahe Fixsterne der zeitgenössischen
Jazz-Musik miteinander vertragen würden. Beide verbindet
ihre jeweils einzigartige Virtuosität, beide verbindet
darüber hinaus die Liebe zum Wohlklang, zu einem leisen
und singenden Jazz, zu eleganten Improvisationen, die bei
Metheny mit sprühender Unbekümmertheit daherkommen,
bei Mehldau geerdet sind an die Kenntnis der klassischen europäischen
Klaviermusik des 19. Jahrhunderts.
Mit
einem Wort: Beide sind späte Romantiker ihrer Zunft,
und ob sie sich gemeinsam vertragen und etwas zu sagen haben
würden, wird wohl jeder Fan des einen oder des anderen
Musikers gefragt haben. Wie sehr sie sich - seit langem -
schätzen, geht aus dem Presseinfo hervor, in dem Mehldau
mit den Worten zitiert wird, die Chance, mit Pat Metheny Musik
zu machen, sei "nicht weniger als ein wahr gewordener
Traum".
Er
ergänzt: "Pat ist einer der Musiker, die mich dazu
gebracht haben, schon als junger Mensch Jazz spielen zu wollen.
Ich kehre immer wieder zu seinen Aufnahmen zurück - wegen
der schieren Freude, die ich am Zuhören habe." Den
10 Songs, die das Duo aufgenommen und komponiert hat, ist
diese Freude eingeschrieben. Das geht so weit, dass kaum zu
unterscheiden ist, von wem welches Stück stammt, - sieben
sind von Metheny, drei hat Mehldau beigesteuert -, denn beide
scheinen geradezu miteinander verschmelzen zu wollen, so eng
und dicht sind die musikalischen Linien gestrickt.
Vor
allem in den letzten Nummern, denn anfangs legen beide Musiker
großen Wert zumindest auf einen Klang-Unterschied, der
zunächst gewöhnungsbedürftig ist: Die E-Gitarre
und das (akustische) Klavier eröffnen den Reigen mit
einem langsamen, im Charakter elegischen und sehr gefühlvollen
Song, mit dem die beiden Meister sich auch als einzelne vorstellen:
der Ältere beginnt mit dem Thema, während der Jüngere
ihn vorsichtig - im typischen, äußerst eleganten
Mehldau-Stil - begleitet.
Die
langen Melodiebögen des Gitarristen und die komplexen
Akkordstaffelungen des Pianisten, das sind Markenzeichen der
beiden Musiker, die in den folgenden Stücken immer enger
miteinander kommunizieren, die in ihren Improvisationen auch
immer lockerer zu werden scheinen, bis Mehldau in einer der
letzten Songs das Klavier so lässig traktiert, als wolle
er Methenys Gitarrenläufe imitieren, während der
umgekehrt sich ganz auf die Stimmungen des Pianos einlässt.
Beide
beflügeln und bestärken sich - nicht nur in ihrer
Virtuosität, sondern im genauen Spiel mit Schwingungen
und Klangfarben, die hier stets etwas Schwebendes bewahren.
Darin setzt sich Metheny gegen den häufig eher strengen
und in seiner Melancholie düsteren Tonfall Mehldaus durch,
dessen langjährige Trio-Partner Larry Grenadier (Bass)
und Jeff Ballard (Drums) in zwei Stücken mitwirken und
dem Charakter des Albums kräftige und kühlere Farben
beimischen.
Metheny
und Mehldau steigern sich kontinuierlich, so als hätten
sie die 10 Kompositionen in der vorgestellten Reihenfolge
aufgenommen. Höhepunkte sind die letzten Aufnahmen, in
denen die sprühende Spielfreude sich mit äußerster
Sensibilität paart, in denen die beiden Musiker sich
so souverän die Themen zuwerfen, dass ihnen anzuhören
ist: hier begegnen sich zwei Gleichrangige, zwei Seelenverwandte,
zwei Brüder im Geiste einer musikalischen Idee, denen
es nicht darum geht, ihr Können in den Vordergrund zu
spielen, sondern einzig darum, die Musik zum Fließen
zu bringen, die mit einem betörend schönen Song
aus- und lange nachklingt.
©
Hans Happel, 22. September 2006