Sie
musizieren geschwisterlich im besten Sinn. Sie nähern
sich einander an, umspielen sich, plaudern miteinander, sie
klingen gelöst und gelassen, sie harmonieren ohne jede
Anstrengung. Pat Metheny und Brad Mehldau haben aus ihrer
einwöchigen gemeinsamen Aufnahme-Session im Dezember
2005 ein zweites Album herausgeschnitten, es heißt "Quartett",
denn diesmal stehen nicht wie auf dem ersten im September
2006 veröffentlichten Album die intimen Duo-Stücke
im Vordergrund, sondern hier wird Metheny wird zum vierten
Mann in Mehldaus Trio.
Larry
Grenadier (Bass) und Jeff Ballard (drums) tragen dazu bei,
das diese Aufnahmen Spannung auch aus ihrer rhythmischen Vitalität
beziehen, dass die rhythmische Grundierung bis hin zum Rock-Feeling
ausschlägt, und dass Mehldau am Piano gelegentlich ein
Tempo anschlägt, mit dem er Methenys Hang zur ausschweifend
meditativen Langsamkeit, ja zur Blumigkeit, die eigene Lust
an kühlen, präzisen Sentenzen entgegensetzt. Mehldau
erweitert - wie so oft - seine eigenen Grenzen, wenn er sich
andererseits den weichen Formen Methenys hingibt, er zieht
sich als Begleiter diskret zurück, lässt dem Gitarristen
den Vortritt und findet in der Übernahme der Themen einen
so zarten, behutsamen Tonfall, dass es den Anschein hat, als
würden diese beiden Musiker seit eh und je zusammen spielen.
Zu
den besonders mitreissenden Aufnahmen gehört das energiegeladene
Eingangsstück "A Night Away", das M& M
gemeinsam komponiert haben, in dem aber der Pianist mit seinen
Sidemen Tempo und Ton angibt. Im Gegensatz dazu ist Track
zwei, Methenys "The Sound of Water", ein leises,
impressionistisches Farbenspiel, so wird die Bandbreite der
musikalischen Linien abgesteckt, zwischen denen die Musiker
sich bewegen. Sie balancieren außerordentlich zwanglos
zwischen der verspielten Sanftheit des einen und der romantisch
unterfütterten Coolness des anderen.
Romantisch
sind sie beide, darin treffen sich die lebensbejahende Freundlichkeit
von Methenys Gitarrenspiel mit dem manchmal tief melancholischen
Ernst bei Mehldau. Metheny wird von Mehldau zurückgerufen,
sobald er zu sehr ins Blumig-Ornamentale hinauswill, und Mehldau
wird von Metheny angeleitet, sich fallen zu lassen und die
Farben einer melodischen Phrase auszukosten. Bassist und Drummer
halten beide Musiker zusammen, verdichten und garantieren
den Fluss des Zusammenspiels, das stets locker und filigran
bleibt.
"Long
before" heißt eine Metheny-Komposition, das Mittelstück
des Albums, das die Produktivität des Zusammenspiels
der beiden Meister auslotet: Es ist nicht zufällig eine
der vier Duo-Aufnahmen, denn hier zeigen sie, wie überraschend
nah sie einander kommen können, wie intuitiv sie - von
unterschiedlichen Ausgangspunkten her - den musikalischen
Geist des anderen verstehen. In den letzten zwei Aufnahmen
gibt sich der Pianist vollständig in die Metheny-Kompositionen
hinein, ohne sich dabei zu verlieren.
Der
Schlußtrack "Marta´s Theme" - aus der
italienischen Kino-Komödie Passagio per il paradiso (1998)
- bleibt zwar ein typisches Metheny-Stück, funktioniert
aber wie eine Umkehrung: Eingangs spielt der Pianist das Thema
auf seinem Instrument, als handle es sich um Methenys Gitarre,
während der Gitarrist sein Instrument so zurückgenommen
anschlägt, als würde er mit dem Klavier verschmelzen
wollen. Ja, geschwisterliches Musizieren, ein selten intensives
Zusammenspiel.
©
Hans Happel, 22. März 2007