Man
sollte sie nicht unterschätzen. Denn ihre Songs sind zwar eingängig,
harmonisch und zumeist voller Romantik - und dennoch weder seicht, kitschig
oder gar schnulzig. Katie Melua hat, unterstützt von ihrem Entdecker
und Förderer Mike Batt, die Musikwelt mit ihrem Charme und entwaffnender
Liebeslyrik verzaubert: "There are nine million bicycles in Beijing
That's a fact // It's a thing we can't deny // Like the fact that I
will love you till I die".
Der Song machte die aus Georgien stammende Musikerin zum Weltstar, und
erwartungsgemäß behält sie das erfolgreiche Konzept
auch auf ihrem dritten Album "Pictures" bei. Die Kompositionen
sind von makelloser Perfektion, Popsongs, wie gleichmäßige
Perlen aufgereiht, dazu unprätentiöse und überraschungsarme
Arrangements, die natürliche, unverfälscht und ehrlich'
klingende Gesangsstimme, und immer wieder Textzeilen wie die zitierte,
bei denen jeder Widerstand zwecklos erscheint. Der Einprägsamkeit
halber wurden sie auch gleich ins Booklet gedruckt. Zum Beispiel diese:
"If you were a river I would swim you // If you were a house I
would live in you all my days // If you were a preacher I'd begin to
change my ways
" ("If you were a sailboat"). Wer
würde da nicht schwach.
"Pictures"
ist über große Strecken folglich ein vorhersehbares Album.
Abgesehen von einigen Ausflügen ins Surreale, wie man sie von
Mike Batt gewohnt ist, ahnt man die nächste Textzeile häufig
bereits im Vorweg, genau so wie man die Melodie mitsummen kann, obwohl
man sie zum ersten Mal hört.
Das
macht perfekt inszenierte Popmusik aus, und diese ist inzwischen auch
ein Markenzeichen Katie Meluas, doch mit diesem neuerlich in Kooperation
mit Mike Batt entstandenen Albums scheinen die Möglichkeiten
des Doppels ausgereizt, offenbar auch für Melua selbst: "Es
ist ... der dritte Teil der Trilogie, in der Mike und ich als kreatives
Team zusammengearbeitet haben."
Folgt
mit dem vierten Album also eine Neuorientierung? Eine Richtung zeigt
womöglich der letzte Song auf "Pictures" an. "In
my secret life" ist ein Titel von Leonard Cohen, dem unbestrittenen
Großmeister des melancholischen Songschreibens. Einerseits dokumentiert
Katie Melua mit ihrer Adaption, in welcher Liga sie inzwischen anzusiedeln
ist. Andererseits ist der vorsichtige Blues, den sie in Stimme und
Rhythmus ihrer Interpretation legt, eine bislang ungewohnte Klangfarbe
in ihrem Repertoire. Aber eine viel versprechende, von der man gern
mehr hören würde, denn vielleicht tun sich dabei ganz neue
Qualitäten auf. Wie gesagt: Man sollte sie nicht unterschätzen.
©
Michael Frost, 30.09.2007