Bis
2001 gehörte Cerys Matthews zur Crème de la Crème
der britischen Pop/Rock-Szene. Als charismatische Sängerin und
Aushängeschild hatte sie ihrer Band Catatonia einen eigenen,
unverwechselbaren Stempel aufgedrückt: weniger zerbrechlich als
Portishead, weniger elektronisch als Goldfrapp, rockbetonter als Moloko.
Kein Zweifel: Catatonia gehörte zu den wichtigsten Bands der
Insel: bis 2001. Dann, mit dem Album "Paper Scissor Stone",
kam der Split.
Catatonia
war am eigenen Erfolg zerbrochen, von Drogensucht und Alkoholexzessen
war die Rede. Ausgebrannt und ausgezehrt verließ Cerys Matthews
Europa, ließ sich in den USA nieder und verschwand aus dem Blick
der Öffentlichkeit. Erst 2003 tauchte sie wieder auf, im Gepäck
ein selbstironisches, kraftvolles und ungemein unterhaltsames Album:
"Cockahoop".
Nun
meldet sie sich ein weiteres Mal zurück. "Never said goodbye"
heißt das Album, dessen Titel fast wie eine Rechtfertigung klingt:
Sie habe sich nie verabschiedet. Warum auch?
Cerys
Matthews ist mit sich im Reinen. In Nashville gründete sie eine
Familie, suchte und fand sie Mitstreiter für ihre Musik, und
dort entstand auch "Never said goodbye", eine auf den ersten
Blick bisweilen schlichte und unauffällige Sammlung von Rocksongs
und -balladen. Doch unter der Oberfläche brodelt der Vulkan Cerys
Matthews weiter, und manchmal bricht ihr Temperament durch.
Dann
erkennt man ihre so verehrte Stimme wieder, dieses ureigene, deftige
und derbe Timbre, ihre direkte Sprache, die ungebrochene Energie der
Powerfrau, als die sie immer beschrieben wurde. "I wasn't going
to shout in any of the songs", erzählt sie zur Entstehung
des Album, aber zum Glück hat sie es doch getan, wenn auch vielleicht
etwas seltener als in der Vergangenheit. Doch die druckvolle Kraft
blieb des Songs erhalten, und die erdigen Drums, die akustischen Instrumente,
die straighten Arrangements unterstreichen ihre unverstellte Art.
Dazu
gehört auch der Gruß nach Wales, in Matthews' alte Heimat.
"Elen" schrieb sie gemeinsam mit Gruff Rhys (Super Furry
Animals), und sie singt das Lied auf Walisisch. "Sing uns ein
Lied, Elen", heißt es darin, und man spürt, Elen,
die Frau, die mit ihrem Klavier zum Mittelpunkt eines kleinen Dorfs
in Nordwales wurde, und Cerys sind Eins: "Give us a song, Cerys!"
©
Michael Frost, 08.10.2006