Ein
Fluss, in dem sich verschiedene Ströme aus unterschiedlichen
Richtungen und Regionen vereinigen und gemeinsam weiterziehen
- dieses Bild verwendet der französische Meister des
Akkordeons, Jean-Louis Matinier, für die Musik seines
Quartetts, mit dem er jetzt die CD "Confluences"
aufgenommen hat.
Entstanden
ist dabei ein ungewöhnliches Stück Ensemble-Musik,
ungewöhnlich in der Farbigkeit, die die Instrumente Akkordeon,
Querflöte, akustische Gitarre und Kontrabass erzeugen,
ungewöhnlich aber auch im gleichrangigen und harmonischen
Zusammenspiel dieser Musiker, die allesamt erfahrene musikalische
Persönlichkeiten sind und Virtuosität mit persönlichem
Stil verbinden.
Neben
dem Komponisten und Arrangeur aller neun Titel spielen sein
langjähriger Partner Renaud Garcia-Fons Kontrabass, der
Amerikaner Bobby Rangell Flöte und der Brasilianer Nelson
Veras Gitarre. "Confluences" spricht schon im Titel
vom Zusammenspiel, und das geschieht hier im allerbesten Sinne
mit einer bestechenden Leichtigkeit.
Matinier
hat seinem Quartett eine Kammermusik auf den Leib geschrieben,
die zwischen zarten Melodien und wilden Rhythmen bruchlos
wechselt, die im klassischen Sinn mit Themen und Motiven arbeitet,
die klar strukturiert ist und gelegentlich die Virtuosen von
der Leine läßt. "Eine Mixtur aus Stilen und
Menschen ohne vorgefasste Ideen" nennt Matinier diese
Musik. Das ganze ist ein feines Gewebe, in dem ein freundlich-warmer
Grundton, eine ungewöhnliche Helligkeit dominieren und
die Balance niemals verloren geht.
Die
Melodien - mal melancholisch, mal heiter-verspielt - rufen
die Erinnerung an den Charme französischer Chansons wach,
aber Mastinier schreibt keine liedhafte Musik, er läßt
die Themen von Instrument zu Instrument tragen, baut Zwischenthemen
ein, wechselt Rhythmen und Tonarten und entwickelt so einen
konzertanten Stil, der manchmal an den gestrengen Sonatensatz
erinnert und bei aller Leichtigkeit außerordentlich
komplex ist.
Lateinamerikanischer
Rhythmus ("Sambadynos"), indische Anklänge
auf dem zum "Singen"gebrachten, gestrichenen Kontrabass,
französisches Timbre, klassische Akkordeontanzweisen;
- diese "UNITE-MULTIPLE" - so ein Stücktitel
- lebt vom "Zusammenfließen" der verschiedensten
"Einflüsse", die hier nicht mühselig und
künstlich fusioniert werden, sondern eine erstaunliche
Einheit bilden. Matinier legt Wert auf Transparenz, die Musik
wirkt an keiner Stelle verdickt, sie wird nie zu einer trüben,
schwerflüssigen Soße, sie bleibt ein leichter Strom,
drängend, treibend, will sie auch keinen Rausch erzeugen,
dazu ist sie in ihrer Klarheit zu einfach und in ihrer Schönheit
zu hell.
Wenn
alle Instrumente - jeweils in verschiedenen Stücken -
Solopartien erhalten, - ob Rangells voller, warmer Flötenton,
Veras klassischer Gitarrenanschlag, Garcia-Fons´ "singende"
Bogentechnik oder Matiniers girlandenhaft schnelle Läufe
- wirkt dies nicht wie eine Pflichtübung, sondern stärkt
noch den Charakter der Ensemblekunst.
Unter
den Titeln einen eindeutigen Höhepunkt auszumachen, wäre
ungerecht gegenüber dem Gesamteindruck, den diese wundersam
beschwingte, diese erfrischende, ebenso emotionale wie intelligente
"kleine Sommermusik" hinterläßt.
©
Hans Happel, 10. Juli 2003