Am
Strand von Mindelo, Cabo Verde, steht eine mittlerweile weltbekannte
Frau und singt über Fernweh, Sehnsucht und die unendlichen Weiten
des Ozeans. Zweifellos ist die Rede von Cesaria Evora. Inzwischen
hallt es von Paris aus zurück, denn dort arbeitet eine Frau,
die früher einmal in der Nachbarschaft von Cesaria Evora gelebt
haben muss: Dulce Matias.
Heute
wohnt Dulce Matias in Paris. Obwohl sie aus einer musikalischen Familie
stammt (einige Angehörige sind auch an ihrem Album beteiligt),
fand sie den Weg zur eigenen Karriere erst relativ spät. Ermutigt
wurde sie von Paulino Vieira, der auch Cesaria Evoras Album "Miss
Perfumado" produziert hatte, mit dem der Diva 1993 ihr internationaler
Durchbruch gelang.
Natürlich
ist es naheliegend, Dulce Matias im Zusammenhang mit Cesaria Evora
zu nennen und Vergleiche beider Sängerinnen anzustellen - aber
auch etwas ungerecht. Dulce Matias singt, wie beschrieben, von Paris
ausgehend, und wo Cesaria Evora in die Ferne schweift, ist Dulce Matias'
Blick umgekehrt fest gen Heimat gerichtet, sie singt auf ihrem Album
"Razâo d'Existi" von der Heimweh und der Hoffnung
der Ausgewanderten auf baldige Rückkehr - aufgrund der wirtschaftlichen
Probleme der Inselrepublik allzu oft leider eine Illusion. Unter der
Bevölkerung des Landes sind auch traditionell viele Seefahrer,
die auf allen sieben Weltmeeren zu Hause sind, nicht aber im eigenen
Lande.
Ihre
Abwesenheit prägt und begründet die melancholische Morna,
den "Blues" der Kapverden, auf so unnachahmliche Weise und
gemeinsam mit brasilianischen, portugiesischen und afrikanischen Traditionen
wird die Musik der Kapverden zu exakt dieser unvergleichlich emotionalen
und rhythmischen Einheit, die Cesaria Evora dem Rest der Welt bekannt
machte, und dem nun weitere Künstlerinnen und Künstler folgen.
Dulce Marias gelingen dabei überzeugend eigenständige Nuancierungen,
die sie vor allem ihrer rauen und hintergründigen Stimme verdankt,
aber auch den luftigen Arrangements und den sanft dahin gleitenden
Melodien. Ein Sommer-Album. Und eines, das im Winter Sehnsüchte
wecken wird.
Michael
Frost, 03. August 2002