Sofia
Coppola beweist schon seit ihrem Regie-Debüt mit "The virgin
suicides" eine glückliche Hand, was den jeweiligen Soundtrack
angeht. Air, das französische Elektropop-Duo, das den kompletten
Score zu "The Virgin Suicides" schrieb, ist inzwischen eine
Art Stammband der Regisseurin. So sind sie nach "Lost in translation"
auch auf dem Soundtrack zu "Marie Antoinette" wieder mit
einem Stück vertreten ("Il secondo giorno"), das Coppola
dem Air/Alessandro Barrico-Projekts "Tre Storie" entlieh.
Es dürfte wohl einigermaßen ungewöhnlich sein, die
Geschichte der letzten absolutistischen Herrscherin über die
Franzosen, deren Leben vor über 200 Jahren auf der Guillotine
endete, mit Elektropop und Postrock von heute zu untermalen. Doch
Sofia Coppola bildet in "Marie Antoinette" (Kirsten Dunst
in der Titelrolle) nicht die Geschichtsbücher ab, sondern sie
erzählt darin mit viel Verständnis und Gespür für
das Seeleninnere aus dem Leben einer 19-Jährigen, die als österreichische
Herzogin zum Spielball der internationalen Heiratsdiplomatie wurde,
indem man sie zur Hochzeit mit dem ihr unbekannten - und ungeliebten
- französischen König zwang.
Nach allgemeiner Kritikermeinung ist Sofia Coppola - auf der Grundlage
des Buchs von Antonia Fraser - das Porträt einer jungen Frau
gelungen, die zwischen dem ausschweifenden Leben am Hof, den Verpflichtungen
einer Herrscherin und der Zwangsehe mit Louis XVI. versucht, ihren
eigenen Weg zu finden; eine Parabel auf das Erwachsenwerden. Und weil
dieser Zwiespalt zwischen gesellschaftlicher Pflicht und individuellem
Freiheitsdrang nicht auf eine bestimmte Epoche beschränkt ist,
sondern bis heute zur Entwicklungsaufgabe Heranwachsender gehört,
wird Coppolas Kunstgriff, den aktuellen Bezug des Sujets mittels der
von ihr ausgewählten Musik herzustellen, nur allzu verständlich.
Und so gesehen ist es auch nachvollziehbar, wenn sie dafür die
Musik ihrer eigenen Jugend auswählt: Siouxsie & The Banshees,
Bow Wow Wow, Adam & The Ants, New Order und The Cure. Letztere
dürfen sogar beide CDs des Doppelalbums mit jeweils einem Song
beschließen: die Postpunk- und Wave-Ära der 80er Jahre
wird durch sie zur Klammer, die auch neuere Sounds, etwa The Strokes,
Aphex Twin oder eben Air mit einschließt.
Der
Kunstgriff, die allgemeine Gültigkeit ihres Themas mit Hilfe
der Filmmusik zu unterstreichen, ist originell und gelungen. Aber
Sofia Coppola hatte ja schon immer eine glückliche Hand bei der
Musik.
©
Michael Frost, 04.11.2006