"L'aile
ou la cuisse" (Brust oder Keule) ist einer der berühmtesten
Filme des französischen Kult-Komikers Louis de Funès.
In der kulinarischen Endzeitkomödie verliert de Funès
in der Rolle des Gourmet-Kritikers Duchemin beim Verzehr der industriell
gefertigten Plastiknahrung seines Gegenspielers, des skrupellosen
Fabrikanten Tricatel, den Geschmackssinn.
Ausgerechnet
nach dem Schurken Tricatel benannte Bertrand Burgalat sein Pariser
Plattenlabel und bewies nicht nur damit seinen Sinn für grotesken
Humur und ein sicheres Gespür für verdrehte Verhältnisse.
Denn weder seine eigenen Veröffentlichungen noch die Künstler,
die Tricatel unter Vertrag nahm, klingen in irgendeiner Hinsicht ungenießbar,
nach industrieller Massenware oder Retorte.
Aktuelles
Beispiel: April March. Die New Yorkerin veröffentlichte bereits
1998 ein Album in Frankreich. Nun folgt "Triggers", das
inzwischen auch in Deutschland erschien. "Für Liebhaber
des gehobenen Pop ist 'Triggers' ein gelungenes bilinguales Experiment"
heißt es im Pressetext, doch das ist nur die halbe Wahrheit.
Denn
gemeinsam schaffen April March und Bertrand Burgalat, Autor der meisten
Songs und Produzent des Albums, deutlich mehr als ganze Kohorten französischer
und US-amerikanischer Diplomaten: Sie verbinden die losen Enden beider
Kulturen und verknüpfen sie zu einem entspannt-amerikanischen
und lasziv-französischen Mix (Mélange), während raffinierte
Arrangements moderner Electronica-Sounds und psychedelisch-bunter
Klangfarben im Retrostyle der 60er und 70er Jahre den Songs überraschende
Vielschichtigkeit verleihen. Die beiderseitigen Vorbehalte werden
dabei nicht ausgeklammert, sondern in den Sound integriert.
So
trifft fröhlicher US-Gitarrenrhythmus auf französische Synthesizer-Klänge,
reibt sich säuselnder Sprechgesang im Stil frankophoner Ikonen
mit der besonderen Melodik der englischen Sprache - und schließlich
vereint sich ausladender Philadelphia-Sound mit der geballten Opulenz
orchestraler Chanson-Inszenierungen. "Nekropolis" heißt
der Instrumentaltitel am Ende des Albums, in dem Burgalat seine interkontinentale
Vision kulminieren lässt.
Ob
diese belebende Mélange zur Bewältigung politischer Dissonanzen
taugt, muss an dieser Stelle glücklicherweise nicht abschließend
erörtert werden. Deutlich wird jedoch, dass Politiker merkwürdigerweise
immer wieder an Problemen scheitern, die in der Begegnung ihrer Künstler
gar nicht auftreten.
©
Michael Frost, 15.11.2003