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Entwaffnender Charme


Dass Annett Louisan weit mehr als "nur spielen" wollte, war seit ihrem Debüt vor kaum einem Jahr klar. Zu zielstrebig, zu konsequent hatte ihr Album "Bohème" eine Lücke gefüllt, deren Existenz man sich vorher kaum bewusst war: abseits von Pop, Rock, Schlager oder Liedermachern etablierte sie sich bereits mit ihren ersten Songs als deutschsprachiger Ableger des "Nouvelle Chanson".

Was manchen Kritiker noch skeptische bleiben ließ, war das mädchenhafte Lolita-Image, das Annett Louisan als bewusstes Klischee zu bedienen schien, doch wirklich verübeln wollte ihr das niemand: ihr entwaffnender Charme ließ jeden Anflug von Kritik verstummen.

Auch mit dem jetzt, erstaunlich schnell gefolgtem zweiten Album "Unausgesprochen" wird sich diese Haltung nicht ändern. Annett Louisan setzt - erwartungsgemäß - erneut auf einen Stilmix "à la Française": chansonesquer Grundton, akustische Instrumente, Ausflüge in Bossanova, Musette, New Orleans-Jazz, Blues und Tango.

Man würde sich wünschen, der hervorragend entwickelten Musikalität des Albums würde mehr Platz eingeräumt, doch die stimmigen Arrangements dienen überwiegend nur als Kulisse für die mit spielerisch leichtem Wortwitz vorgetragenen Geschichten, bei denen Annett Louisan in Wahrheit nichts "unausgeprochen" lässt: Begebenheiten wie aus Tagebüchern, Foto- oder Poesiealben, in harmlosem Plauderton zumeist, manchmal naiv, oft raffiniert, aber erneut mit dem inzwischen bekannt entwaffnendem Charme.

So erfüllt Annett Louisan die mit dem zweiten Album verbundenen hohen Erwartungen souverän, "Unausgesprochen" ist ein würdiger Nachfolger ihres Überraschungsdebüts "Bohème".

Doch die wirkliche Bewährungsprobe steht erst noch bevor: Aussage und Wirkung ihrer Geschichten sind altersgebunden, doch Themen und Ausdruck müssen mit gemeinsam mit ihr wachsen und reifen. Einzelne Songs auf "Unausgesprochen" ("Wo ist das Problem?", "Was hast du vor?") deuten bereits auf eine "erwachsene" Annett Louisan hin - und schüren bereits jetzt die Erwartungen auf das nächste Album.

© Michael Frost, 24.10.2005

 


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