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Weltsprache Bossanova


Bossanova ist eine internationale Sprache. Sie funktioniert sowieso im brasilianischen Portugiesisch, sie lebt in den Worten des Jahrhundert-Dichters Fernando Pessoa (der seine Verse eigentlich dem Fado lieh) ebenso wie in der Eleganz des Französischen als auch, jawohl: auf Schwedisch.

Jedenfalls in der Fassung von Aline de Lima. Die Brasilianerin, die einige Jahre in Schweden verbrachte, sagt ihrer vorübergehenden Wahlheimat auf "Açaí" leise Adieu: "Som om ingenting har hänt". Inzwischen lebt sie in Paris, und auch ihr zweites Album sagt mit jeder Zeile, jeder Note: Diese Frau hat Großes im Sinn.

Schon für ihr Debüt verpflichtete sie mit Vinicius Cantuária einen der ganz wichtigen Erneuerer der brasilianischen Musikszene, und auch für "Açaí" wollte sie nichts dem Zufall überlassen. Also bat sie Jun Miyake um Unterstützung. Der japanische Trompeter gilt seit Jahren als einer der experimentellsten Bossanova-Virtuosen. Noch in diesem Herbst wird man wieder von ihm hören, wenn sein lang erwartetes, mit Arto Lindsay produziertes Album "Stolen from strangers" erscheint.

Weder Miyake noch Aline de Lima halten starr an Konventionen fest: Viel lieber spielen sie mit ihnen. "Açaí" ist ein brasilianisches Album mit allen nötigen Zutaten von den Trommeln, den Percussions, dem heißen Rhythmus, den harmonischen Melodien und der leisen Melancholie einer betörend schönen Frauenstimme - so wie man die Bossanova seit den ersten Aufnahmen von Tom Jobim, Astrud und Joao Gilberto kennt, oder auch in der von Gilberto Gil geprägte Form des "Tropicalia"-Sounds.

Und doch wirkt Aline de Limas Version der Bossanova neu und frisch, selbst die Geiger im Hintergrund tragen zu dieser aufgeräumten Atmosphäre bei. So ist "Açaí" vor allem für solche Musikfans eine Entdeckung, die sich von den vielseitigen Möglichkeiten einer zeitgenössischen Bossanova begeistern lassen möchten. Sie können dann auch erleben, wie vorzüglich eine Bossanova-Ballade wie "Quem sou" klingt, wenn sie allein von der westafrikanischen Kora Tom Diakités begleitet wird. Bossanova ist, wie bereits gesagt, längst eine internationale Musiksprache.

© Michael Frost, 14.08.2008


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