Wenn es darum geht, Gefühle zu transportieren, ist Electronica vielleicht das schwierigste musikalische Genre, gilt es doch, Klängen anorganischen Ursprungs, letztlich leblosem Material, Atmosphäre einzuhauchen, die ihrerseits Empfindungen auslösen kann. Gelingt dies nicht, endet die "Soundscape", die Klanglandschaft, in der Beliebigkeit.
Umgekehrt ist das Ergebnis besonders faszinierend: Wenn nämlich im Computer generierte Elemente virtuelle Klangwelten entstehen lassen, Stimmungen kreieren und sogar Geschichten erzählen. Kraftwerk machten vor, wie diese Musik funktioniert, Jean-Michel Jarre ist ein weiterer Pionier, doch jüngere Musiker geben sich nicht mehr damit zufrieden, Instrumente mittels der Technologie nachzuahmen - sie setzen auf eigene Klänge, die mit den Hörgewohnheiten brechen.
Skandinavien ist offenbar ein gutes Pflaster für eine muntere Schar experimentierfreudiger Soundtüftler. Thomas Knak ("Opiate") geht dabei vielleicht am weitesten, doch auch Bands wie Sigur Rós und Efterklang arbeiten im Grenzbereich zwischen Postrock und elektronischen Symphonien.
Erik Levander ist nun der jüngste Spross einer Zunft, die sich der Zukunftsmusik verschrieben hat. Der Schwede bezeichnet sich selber als "dark romantic", und entsprechend gestaltet er seine instrumentalen - respektive digitalen Epen: unheilschwanger, schwermütig und düster, manchmal von klaustrophober Enge, aber immer wieder mit erstaunlicher Sensibilität Zärtlichkeit, minimalistisch und filigran.
So bricht immer wieder ein vorsichtiger Sonnenstrahl durch den finsteren Wolkenhimmel, der die Szenerie erleuchtet, Bilder von japanischen Kirschblüten und meditativer Einkehr, dann wieder von nervöser Unruhe und Aufbruch zeichnet - wunderbar gegensätzliche Effekte, die Levander klug miteinander verwebt und dadurch eine Spannung auf den Zuhörer überträgt, der man sich kaum mehr entziehen kann.
In dieser aufgeladenen Atmosphäre verkehren sich die Gewohnheiten. Man wird eins mit den Computerklängen, nimmt sie in sich auf und reagiert auf sie wie ein Resonanzkörper, während ausgerechnet die vertrauten Klänge gelegentlich eingefügter Instrumente (ua. Gitarre, Klarinette, Klavier) fremdartig und verstörend wirken, plötzlich sind sie es, die das Bild durcheinander bringen - nicht mehr die künstlichen Klanggebilde.
So gelingt dem jungen Nachwuchskünstler Erik Levander, der mittlerweile in Kopenhagen lebt, ein ganz besonderes Kunststück, indem er unsere Wirklichkeit auf den Kopf zu stellen scheint, er fordert heraus, und er erweitert die Möglichkeiten digitaler Musik beträchtlich.
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Michael Frost, 20.04.2008