"Derzeit
schickt ja jede Majorcompany ihre Praktikanten in den Keller, um mal
zu sehen, was 'wir denn noch so auf Französisch haben'", lästerte
Chanson-Experte Gerd Heger (Saarländischer Rundfunkt) jüngst
im CD-Kritik.de-Interview. Tatsächlich ist Musik aus Frankreich
seit den beiden "Le Pop"-Samplern wieder "en vogue",
wobei die Szene des "Nouvelle Chanson" besondere Aufmerksamkeit
erfährt.
Nicht
weniger interessant war jedoch schon immer die innovative Weltmusik-Szene
in Paris und Marseille, die vor allem von Einwanderern aus Nord- und
Westafrika geprägt wird. Der in Algerien geborene Rachid Taha
steht exemplarisch für den Raï, den Pop des Maghreb, der
sich in Frankreich mit europäischem Rock, Reggae und Chanson
vermischte. Ebenfalls aus der multikulturellen Ecke kommt das bereits
legendäre Massilia Sound System, ein in Marseille ansässiges
Raggamuffin-Kollektiv: die französische Antwort auf die Afrocelts.
Sowohl Rachid Taha als auch Massilia Sound System gehören jetzt
zu den klangvollen Namen auf einem weiteren Frankreich-Sampler: "Le
Tour".
Nun
handelt es sich bei den versammelten Acts auf diesem Sampler keinesfalls
um verstaubte Ausschussware aus den Kellern der großen Plattenfirmen.
Namen wie Louise Attaque, Zebda und eben Rachid Taha sind auch in
Deutschland keine unbeschriebenen Blätter mehr, während
die Pionierleistung von Dominique A. und Nachwuchs-Star Vincent Delerm
bereits durch die "Le Pop"-Macher hervorgehoben wurden.
Doppelt hält schließlich besser, und Thomas Bohnet, der
die Compilation zusammenstellte, ist fachlich sowieso über jeden
Verdacht erhaben: Seit 2000 veranstaltet der DJ regelmäßige
Partynächte in München (Muffathalle) und inzwischen auch
in Berlin (Roter Salon), bei denen er ausschließlich französische
Musik auflegt.
So
war es naheliegend, aus den am häufigsten nachgefragten Party-Stücken
irgendwann einen Sampler zu machen, aber darüber hinaus füllt
"Le Tour" die Lücke der wenigen wirklich empfehlenswerten
Frankreich-Samplern mit neuen ("Le Pop") und alten Chansons
("Die fabelhafte Welt des Chansons").
Das
Wagnis verdient Respekt und Anerkennung. Nur ein einziges Mal scheint
den Macher der Mut verlassen zu haben: im Untertitel. Der wurde nämlich
auf Englisch abgefasst: "The Best in French Alternative Music".
Nachprüfbar
ist die Einlösung dieses Anspruchs freilich nicht. Ob es sich
bei den versammelten wirklich um das "Beste" handelt wäre
ebenso zu hinterfragen wie die Definition des Begriffs Alternative
Music.
Angesichts
der stilistischen Bandbreite von "Le Tour" fragt man sich
nach dem Verbleib etwa von Air, Tahiti 80, aber auch Les Rita Mitsouko,
Les Negresses Vertes, Manu Chao, Bertrand Burgalat, Khaled oder Saez
- um nur einige zu nennen.
Aber
wenigstens der Anfang ist gemacht. Sehen wir es einfach positiv: Es
gibt noch viel Stoff für "Le Tour 2" !
©
Michael Frost, 20. November 2003
TRACKLIST
01.Dionysos - Coiffeur D'Oiseaux
02.Mickey 3D - Respire
03.Dominique A - En Secret
04.Louise Attaque - J't'emmene au vent
05.Les Hurlements D'Leo - La Der Des Der
06.Zebda - Tomber La Chemise
07.N&SK - Ca L'Fait
08.Rachid Taha - Ya Rayah
09.Samia Farah - Les Temps Difficiles
10.Massilia Sound System - Toute Petite Danse
11.Tiken Jah Fakoly - Y'En A Marre
12.Rubin Steiner - Minellos (Part Two)
13.Luke - Se Taire
14.Vincent Delerm - Fanny Ardant Et Moi
15.Die Aeronauten - Poupee De Cire, Poupee De Son