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Fräuleinwunder


Alev Lenz verehrt die "guys with guitars". Sie sind "so much better than guys wiht skateboards // so much better than guys with books", singt sie, und inzwischen ist die Verehrung wohl wechselseitig. Denn in der New Yorker "Open Mike"-Szene, wo sich Talente jedweder Herkunft vor Publikum präsentieren können, ist auch sie selbst inzwischen zuhause. Dort sammelte die deutsche Musikerin türkischer Herkunft genau die Erfahrungen, die sie für ihr erstes Album benötigte.

Der Titel sei während eines Gesprächs mit einer Bar-Besitzerin in New York entstanden, erzählt Alev Lenz. Die habe sie als "storytelling, piano playing Fräulein" bezeichnet - und so heißt nun auch das Debüt-Album.

Regina Spector, Randy Newman, Tori Amos, Jorane - Alev Lenz hat ihre Vorbilder sicherlich genau studiert. Schließlich entschied sie sich für ein kammermusikalisches Set: Sie selbst spielt Klavier, und den Hintergrund bildet ein Streichquartett aus erster und zweiter Geige, Bratsche und Cello. Glockenspiel und Marimba sind noch die auffälligsten Ergänzungen ihrer filigranen, spielerischen Arrangements.

So steht die Lyrik im Vordergrund. Alev Lenz erzählt Alltägliches, Verletzliches, Absurdes und vermittelt dabei immer wieder biografische Eindrücke: "Flight 1701" verweist auf ihr eigenes Geburtsdatum und erzählt von einem Leben als Flugstrecke - mitsamt den Turbulenzen, Höhenangst und ungewisser Ankunftszeit. "I watch too much TV" verwebt Textzeilen, wie sie beim schnellen Sender-Zappen entstehen können - so reimt sich Krebserkrankung wundersam auf Oscar-Verleihung, eine tragikomische Verdichtung der medialen Gegenwart.

Doch Alev Lenz ist, trotz ihres nüchtern-ironischen Blicks auf die Welt, eine Optimistin. "Maybe one day" ist textlich hoffnungsvoll - und musikalisch ein Ohrwurm, nicht nur, weil sie hier aus dem klassischen Set ausbricht, indem sie zusätzlich Drums, Gitarre und Bass einsetzt: "Maybe one day we will turn around and see what we can be". Es ist die Hoffnung einer Kosmopolitin, die zwischen Deutschland, New York und auch der Türkei pendelt, wo sie übrigens bereits im Fernsehen zu sehen war (s. Youtube-Videolink), und die Hoffnung auf eine künstlerische Karriere, die aus dem "storytelling piano playing Fräulein" schnell ein "Fräuleinwunder" werden lassen könnte.

© Michael Frost, 24.01.2009

 


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